Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche

Titel: Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
wieder nehmen? Noch hatte er sich nicht entschieden. Wenn sie wach genug war, um ihn zu beschuldigen, würde er alles abstreiten. Er würde großzügig sein, sich mitfühlend um ihre Ängste kümmern. Es verlieh ein unglaubliches Machtgefühl, die Realität von anderen kontrollieren zu können. Noch nie zuvor war ihm das so klar geworden. »Was für ein schrecklicher Albtraum«, flüsterte er in gespieltem Mitleid und fühlte, wie das Grinsen sein Gesicht überzog. Er kontrollierte seine Miene und versuchte sich zu beruhigen. Nach einigen tiefen Atemzügen öffnete er die Tür und betrat den dämmrigen Raum.
    Das schwache Winterlicht erleuchtete die Kammer nur spärlich. Althea lag unter den Decken in ihrer Koje und schlief fest. Der scharfe Gestank von Erbrochenem stand wie eine Wand in dem kleinen Raum. Er stützte sich auf die Krücke, während er den Riegel wieder vorschob, und rümpfte die Nase.
    So ging das nicht. Dieser Geruch war einfach ekelhaft. Er ruinierte alles. Er musste ihr eine Extradosis Mohnsirup und Alraunewurzel geben und dann dem Schiffsjungen befehlen, ordentlich sauber zu machen, während sie schlief. Kennit war zutiefst enttäuscht und stellte das Tablett auf dem Tisch ab.
    Sie traf ihn mit voller Wucht zwischen den Schultern. Er stürzte mitsamt dem Tablett und der Krücke zu Boden und stieß sich dabei den Kopf an dem Tisch. Ihre Hände umklammerten seine Kehle. Er drehte sich herum und presste sein Kinn auf die Brust, damit sie ihn nicht richtig würgen konnte. Sie stemmte ihm ein Knie in den Rücken, doch als er sich wegrollte, fiel sie mit ihm um. Ihre Reflexe waren langsam, gedämpft durch die Drogen. Hätte er noch beide Beine gehabt, wäre sie chancenlos gegen ihn gewesen. So schaffte er es nur, ihre Handgelenke zu packen, bevor sie weglaufen konnte. Sie keuchte und schwankte und wich vor ihm zurück, so weit der kleine Raum das erlaubte, als Kennit sich auf Hände und Knie aufrichtete. Sie hatte ihre Augen weit aufgerissen. Sie waren pechschwarz. Die Krücke lag außerhalb seiner Reichweite. Er kroch auf sie zu.
    »Du Mistkerl!«, keuchte sie. »Du herzloses Stück Vieh!« Er täuschte Verwirrung vor. »Althea, was ist in dich gefahren?«
    »Du hast mich vergewaltigt!«, fauchte sie heiser. Dann stieg ihre Stimme schrill an, und sie achtete nicht darauf, wer sie hören konnte. »Du hast mich vergewaltigt! Du hast meine Mannschaft umgebracht und mein Schiff verbrannt! Du hast Brashen getötet! Du hast Viviace eingesperrt! Es ist alles dein Tun!«
    »Das ist doch Unsinn. Liebes, du bist durcheinander. Beruhige dich! Du willst dich doch nicht vor der ganzen Mannschaft in Verlegenheit bringen, hab ich Recht?«
    Er sah, wie sie nach einer Waffe suchte. Er hatte ihre Gefährlichkeit falsch eingeschätzt. Obwohl sie gegen die Wirkung der Droge ankämpfen musste, krampften sich ihre Muskeln zusammen. Er wusste, was ein mörderischer Blick war, denn er hatte ihn oft genug in seinem eigenen Spiegel gesehen. Kennit hechtete zu seiner Krücke, und im selben Moment sprang sie ebenfalls los. Aber sie stürzte sich nicht auf ihn, sondern rannte zur Tür. Sie schob unbeholfen den Riegel zurück, riss die Tür auf und rammte den Türpfosten, als sie hinausstürmte. Er sah, wie sie gegen die gegenüberliegende Wand prallte, sich fing und dann den Gang entlang taumelte.
    Die Galionsfigur. Sie wollte zur Galionsfigur. Er klemmte sich die Krücke unter den Arm, hielt sich am Tisch fest und zog sich hoch. Sollte sie das Vordeck erreichen, würde sie eine Überraschung erleben. Es würde keine Viviace auf sie warten, die sie um Hilfe bitten konnte. Er spielte mit dem Gedanken, sie gehen zu lassen, aber er konnte nicht erlauben, dass sie seiner Mannschaft Flöhe ins Ohr setzte. Und wenn Wintrow oder Etta sie hörten?
    Er kam zur Tür und blickte hinaus. Althea ging langsamer.
    Sie hielt sich an der Wand fest und taumelte hartnäckig weiter.
    Ihr dunkles Haar hing ihr strähnig ins Gesicht. Sie trug Wintrows Kleidung die jetzt mit Erbrochenem und Essen beschmutzt war. Sie musste aufgewacht sein, sich angezogen und dann an der Tür gehockt haben, um auf ihn zu warten. Ein großartiger Plan, wenn man bedachte, wie viel Mohnsirup er ihr verabreicht hatte. Beinahe hätte er sie bewundert. Er musste die Dosis erhöhen.
    Der Umriss eines Matrosen tauchte in der Tür am Ende des Ganges auf. Kennit hob befehlend die Stimme. »Halt sie auf und bring sie wieder in ihre Kabine. Es geht ihr nicht gut. Sie hat mich sogar

Weitere Kostenlose Bücher