Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
angegriffen.«
Die Gestalt machte zwei Schritte in den dunklen Gang hinein, und jetzt bemerkte Kennit seinen Irrtum. Es war kein einfacher Matrose, sondern Wintrow. »Tante Althea?«, rief er ungläubig.
Er bot ihr seinen Arm als Stütze, doch sie verschmähte ihn.
Kennit bezweifelte, dass sie Wintrow überhaupt erkannte.
Stattdessen deutete sie mit zitternder Hand auf Kennit.
»Er hat mich vergewaltigt!« Sie warf den Kopf zurück und musterte den Jungen durch ihr strähniges Haar. »Und mein Schiff ist tief unten im Dunkel eingesperrt! Ich bin betäubt worden, und mir ist schlecht. Helft mir! Und helft ihr!« Ihre Worte wurden schwächer, als ihre Kraft nachließ. Sie sank gegen die Wand und rutschte daran herunter, während Wintrow vor Entsetzen gebannt zusah. Ihr Kopf schwankte wie der einer vergifteten Katze. Zu Kennits Missfallen tauchte noch ein anderer Matrose im Gang auf. Und ausgerechnet in diesem Moment hörte Kennit Ettas Stimme hinter sich.
»Was sagt dieses Miststück da?«, erkundigte sie sich wütend.
Kennit drehte sich rasch um. »Sie ist krank und redet wirr. Sie hat mich sogar angegriffen!« Er schüttelte den Kopf. »Der Verlust ihrer Gefährten scheint sie in den Wahnsinn getrieben zu haben.«
Etta starrte ihn fassungslos an. »Kennit, Ihr blutet ja!«, rief sie entsetzt.
Er fasste sich an die Stirn und betrachtete seine roten Finger.
Anscheinend hatte er sich den Kopf härter gestoßen, als er gedacht hatte. »Das ist nicht schlimm. Es geht mir gut.« Er nahm sich zusammen und verlieh seiner Stimme sowohl einen befehlenden als auch besorgten Unterton. »Wintrow, sei vorsichtig, aber behandle sie gut. Sie weiß nicht, was sie sagt. Anscheinend war es zu viel für sie, mit ansehen zu müssen wie der Paragon verbrannte.«
»Ich bin gesund genug, du mörderischer Vergewaltiger!«, knurrte Althea. Ihre Worte klangen undeutlich, sie schlug um sich und versuchte, sich auf den Füßen zu halten.
»Tante Althea!« Wintrow war schockiert. Kennit sah das Entsetzen im Gesicht des Jungen. »Du musst dich ausruhen«, schlug er mitleidig vor. »Du hast einen ziemlich starken Schock erlitten.«
Sie hielt sich an seinen Schultern fest und betrachtete Wintrow, als wäre er ein Insekt. Er erwiderte verwirrt ihren starren Blick. Sie sahen sich verblüffend ähnlich. Es erinnerte Kennit an die Bildnisse von Sa auf den alten Münzen, das männliche und weibliche Gesicht einander gegenüber. Dann jedoch richtete Althea ihren angewiderten Blick auf Kennit. Er sah, wie sie sich entschied, und bereitete sich auf ihren schlurfenden Angriff vor. Er war sicher, dass er ihrem unbeholfenen Angriff ohne weiteres ausweichen konnte. Aber das war gar nicht nötig. Mit einem wilden Schrei sprang Etta vor ihn.
Die Hure war größer als Althea, körperlich auf der Höhe und wesentlich kampferfahrener. Sie schlug die Bingtownerin mühelos nieder, schwang sich dann rücklings auf sie und drückte sie zu Boden. Althea schrie wütend auf und kämpfte verzweifelt, aber Etta hielt sie ohne Schwierigkeiten fest. »Halt die Klappe!«, schrie die Hure. »Halt dein verdammtes Lügenmaul! Ich weiß nicht, warum Kennit sich die Mühe gemacht hat, dein nutzloses Leben zu retten! Halt den Mund, oder ich schlage dir die Zähne ein!«
Kennit sah fasziniert und entsetzt zu. Er hatte schon vorher gesehen, wie Frauen kämpften, denn in Divvytown war das ebenso gewöhnlich wie bedeutungslos. Aber er hatte es immer außerordentlich geschmacklos gefunden. Irgendwie demütigte es ihn. »Etta! Komm hoch. Wintrow! Bring Althea wieder in ihre Kabine zurück!«, befahl er.
Althea stieß die Worte angestrengt unter Ettas Gewicht hervor. »Ich, ein dummes Miststück? Er hat mich vergewaltigt! Hier, auf meinem eigenen Familienschiff! Und du verteidigst ihn, du, eine Frau?« Sie drehte den Kopf und starrte Wintrow wütend an. »Und er hat unser Schiff begraben! Wie kannst du ihn ansehen und es nicht erkennen? Wie kannst du so dumm sein?«
»Halt den Mund! Halt den Mund!« Ettas Stimme wurde schriller und brach beinah vor Hysterie. Sie schlug Althea. Es war ein Hieb mit der offenen Hand, der in dem schmalen Gang laut hallte.
»Etta! Hör damit auf, hab ich gesagt!«, rief Kennit entsetzt.
Er packte die erhobene Hand der Hure am Handgelenk und versuchte, sie von Althea herunterzuziehen. Stattdessen schlug Etta sie nun mit der anderen Hand und brach dann zu Kennits vollkommener Verblüffung in Tränen aus. Als Kennit hochblickte, sah er ein halbes
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