Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
ihren Haaransatz hinein. »Beeilt euch mit dem Hinstarren«, befahl sie barsch und hoffnungslos. »Dann werde ich erzählen…«
Ihre Stimme brach plötzlich. »Es ist so viel. Was mir passiert ist, macht dabei nur den kleinsten Teil aus. Bingtown ist zerstört. Als ich es zum letzten Mal gesehen habe, brannten überall Feuer, und es wurde gekämpft.«
Althea beobachtete ihre Nichte, während sie sprach. Malta ersparte ihnen nichts. Ihre Geschichte war detailliert, aber sie sprach schnell und leise, und die Worte sprudelten nur so über ihre Lippen. Althea liefen Tränen über die Wangen, als sie von Davad Restates Tod hörte. Die Stärke ihrer Reaktion überraschte sie, aber was dann folgte, betäubte sie geradezu.
Die Gerüchte von Unruhen in Bingtown wurden plötzlich zu einem persönlichen Desaster. Sie war am Boden zerstört, als ihr klar wurde, dass Malta nicht einmal wusste, ob ihre Großmutter und Selden noch am Leben waren.
Malta sprach distanziert von Bingtown und Trehaug, wie eine alte Frau, die originelle Geschichten aus ihrer lange vergangenen Jugend zum Besten gibt. Emotionslos erzählte sie ihrem Bruder von ihrer arrangierten Hochzeit mit Reyn Khuprus, davon, wie sie zu seiner Familie nach Trehaug geflohen war, als Bingtown im Chaos versank, von der Neugier, die sie in die versunkene Stadt geführt hatte, und dem Erdstoß, der sie beinahe das Leben gekostet hatte. Früher hätte Malta solche Geschehnisse prächtig ausgeschmückt und inszeniert, aber jetzt berichtete sie nüchtern darüber. Als Malta von Reyn sprach, drängte sich Althea die Vermutung auf, dass der junge Regenwildmann das Herz ihrer Nichte gewonnen hatte. Allerdings fand sie, dass Malta noch viel zu jung war, um eine solche Entscheidung zu treffen.
Doch als ihre Nichte leise weitersprach und ihre Tage mit dem Satrapen schilderte, bemerkte Althea, dass das Mädchen die Welt mit den Augen einer Frau betrachtete. Ihre Erfahrungen auf der Galeone trieben Althea Schauer über den Rücken. Malta lachte, ein schreckliches Lachen, als sie schilderte, wie ihre Entstellung sie vor Schlimmerem bewahrt hatte. Als Malta schließlich fertig war, verachtete Althea den Satrapen, aber sie verstand den Wert, den Malta ihm beimaß.
Er würde wahrscheinlich seine Versprechungen ihr gegenüber nicht halten, aber es beeindruckte Althea, dass Malta selbst in Zeiten der Gefahr an ihr Heim und ihre Familie gedacht und alles für sie getan hatte, was sie konnte.
Das Mädchen war wirklich erwachsen geworden. Althea erinnerte sich beschämt daran, dass sie früher einmal gedacht hatte, ein bisschen Härte würde Malta weiterbringen.
Zweifellos hatte sie sich weiterentwickelt, aber der Preis war sehr hoch. Die Haut auf ihren Händen sah so rau aus wie ein Hühnerfuß. Und die Narbe auf ihrer Stirn war monströs. Sie schockierte sowohl durch die Farbe als auch durch ihre Größe.
Aber hinter diesen körperlichen Malen spürte Althea auch eine Trübung von Maltas hochtrabenden Plänen. Die mädchenhaften, ausgefeilten Träume von einer romantischen Zukunft waren von der Entschlossenheit einer Frau verdrängt worden, die das Morgen überleben wollte. Althea empfand das beinahe als Verlust.
»Wenigstens bist du jetzt wieder bei uns«, sagte sie schließlich, als Malta fertig war. Sie hatte eigentlich noch hinzufügen wollen: in Sicherheit, aber Malta war kein kleines Mädchen mehr, das man mit Lügen abspeisen konnte.
»Ich frage mich nur, wie lange«, erwiderte Malta kläglich.
»Denn wenn er geht, muss ich ihm folgen, bis ich sicher sein kann, dass er seine alte Macht wiederbekommen hat. Und dass er sein Wort mir gegenüber hält. Ansonsten wäre all das umsonst gewesen. Aber wenn ich euch hier zurücklasse, werde ich euch dann jemals wiedersehen? Althea muss auf jeden Fall einen Weg finden, dieses Schiff zu verlassen, um von Kennit wegzukommen.«
Althea schüttelte den Kopf und lächelte traurig. »Ich kann ihm nicht einfach mein Schiff überlassen, Malta«, erwiderte sie ruhig. »Ganz gleich, was passiert.«
Malta drehte sich von ihr weg. Ihr Kinn zitterte, und ihre Worte klangen harsch. »Das Schiff. Immer das Schiff. Es hat unsere Familie zerrissen und ungeheure Opfer verlangt. Hast du dir jemals vorgestellt, wie anders unser Leben verlaufen wäre, wenn unsere Ur-Ur-Großmutter es nicht für dieses Ding verpfändet hätte?«
»Nein.« Altheas Stimme war kalt. Sie konnte nichts dagegen tun. »Ich kann es ihr trotz allem nicht vorwerfen.«
»Sie hat
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