Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
niemals wieder gewinnen konnte. Er sollte auf eine Weise verkrüppelt sein, die nicht logisch nachvollziehbar war. Die anderen beiden wollte sie nicht verletzen, weder ihren Neffen noch ihr Schiff. Aber ganz gleich, wie wichtig ihr auch die beiden waren, sie konnte nicht einfach ignorieren, was Kennit ihr angetan hatte.
Und es schmerzte noch viel mehr, jetzt, wo sie wusste, dass Brashen noch lebte. Jedes Mal, wenn sie ihn auf dem Deck des Paragon sah, wurde ihre Freude von Furcht getrübt. Der Gedanke daran, es ihm erzählen zu müssen, vergiftete ihre Vorfreude auf die Wiedervereinigung. Würde Brashen es vollständig verstehen? Sie wusste nicht, was sie mehr fürchtete: Dass er wütend wurde, als hätte Kennit sie ihm weggenommen, dass er sie vielleicht als beschmutzt verstoßen könnte oder dass er ihre Demütigung als eine schlechte Erfahrung abtun würde, über die sie mit der Zeit hinwegkommen könnte. Und weil sie nicht wusste, wie er reagieren würde, fürchtete sie plötzlich, dass sie ihn überhaupt nicht kannte. Die ehrliche Liebe und das Vertrauen zwischen Brashen und ihr war in mancherlei Hinsicht noch ganz neu und frisch. Konnte sie das Gewicht einer solchen Wahrheit aushalten? Die Wut kochte in ihr, und sie fragte sich, ob Kennit vielleicht auch das alles zerstört hatte.
Doch dann blieb Althea keine Zeit mehr zum Nachdenken.
Sie lagen längsseits des jamaillianischen Schiffes. Althea hörte das schreckliche Geräusch, als es mit einem anderen zusammenstieß. Vermutlich mit dem Paragon , dachte sie gequält. Ihr armes verrücktes Schiff warf sich um Kennits Willen in den Kampf. Das jamaillianische Schiff kam immer näher und näher und…
»Festhalten!«, schrie jemand.
Einen Augenblick später wurde ihr klar, dass es eine Warnung hatte sein sollen, aber da kugelte sie schon über das Deck. Sie war wütend, als sie rutschte und rollte. Wie konnte Wintrow es wagen, ihr Schiff so zu gefährden? Dann spürte sie durch ihre Haut und das Hexenholz, wie gierig das Schiff selbst auf diese Jagd und das Ergreifen der Beute gewesen war.
Viviace selbst hatte diese Gefahr gewählt. Wintrow hatte nur alles getan, was er konnte, um die Gefahr so gering wie möglich zu halten. Althea stieß gegen eine der Leichen auf dem Deck. Sie schüttelte sich und sprang auf. Die Seite des jamaillianischen Schiffes war so nah wie eine Pier. Sie sah, wie Etta auf das andere Deck sprang, eine blanke Klinge in der Hand. War Wintrow vorausgesprungen? Sie konnte ihn nicht sehen und tastete nach dem Schwert, das der Tote immer noch umklammerte.
Einen Moment später landete sie ebenfalls auf dem jamaillianischen Deck. Überall um sie herum wurde gekämpft, aber ihr fehlte die Orientierung. Wo war ihr Neffe? Ein jamaillianischer Seemann sprang ihr entgegen. Althea parierte mit ihrer Klinge ungeschickt seine ersten beiden Versuche, sie zu töten. Dann jedoch durchbohrte ein Schwert wie aus heiterem Himmel seine Brust. Er drehte sich mit einem Schrei um und stolperte von ihr weg.
Jek war neben ihr und grinste albern, wie immer, wenn sie sich einer Gefahr stellte. »Glaubst du, dass mich der Satrap heiratet, wenn ich ihn rette? Ich wäre ganz gern eine Satrapeuse oder wie man die nennt.«
Bevor Althea antworten konnte, schwankte das Deck unter ihren Füßen, und die Kämpfer taumelten. Sie hielt sich an Jek fest. »Was war das?«, fragte sie und überlegte, ob die jamaillianische Flotte wohl ihre Katapulte gegen die aneinander gefesselten Schiffe einsetzte. Die Antwort gab ihr der entsetzte Schrei eines jamaillianischen Seemanns. »Käpt'n, Käpt'n, die verfluchte Seeschlange hat unser Ruder herausgerissen! Wir nehmen Wasser auf!«
»Wir sollten lieber rasch unseren Auftrag auf diesem Kahn erledigen«, schlug Jek unbekümmert vor. Sie stürzte sich ins Gewühl. Dabei hielt sie sich nicht lange mit einzelnen Soldaten auf, sondern bahnte sich mit mächtigen Schlägen eine Schneise durch das Getümmel. Althea folgte ihr auf den Fersen und tat kaum mehr, als ihnen den Rücken freizuhalten. »Ich dachte, ich hätte Etta gesehen. Ah, da sind wir ja!«, rief Jek. Und dann:
»Bei Sas Odem und Eis Eiern!«, fluchte sie. »Sie liegen am Boden und bluten wie abgestochene Schweine, alle beide!«
Der jamaillianische Kapitän hatte seinen Männern beigebracht, ohne Widerspruch zu gehorchen. Das war eine bewundernswerte Eigenschaft bei Soldaten, allerdings nur, bis man die Konsequenzen am eigenen Leib verspürte. Ihr bedingungsloser Gehorsam
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