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Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche

Titel: Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Sohn weitergibst. An Paragon. Du nennst ihn doch Paragon? Und du trägst das Amulett?«
    »Natürlich, selbstverständlich, aber Ihr werdet nicht sterben. Shh. Spart Eure Kraft auf. Hier ist die Leiter, das ist das schwerste Stück, mein Liebster. Atmet weiter! Viviace! Viviace, hier ist er, hilf ihm! Hilf ihm!«
    Die Matrosen und Wintrow gingen so grob mit ihm um, als sie ihn auf das Vordeck hievten! Etta sprang die Leiter hoch und lief voraus. Sie riss ihren Umhang ab und breitete ihn auf den Planken aus. »Hier!«, rief sie ihnen zu. »Legt ihn hierhin!«
    »Nein!«, dröhnte Viviace. Die Galionsfigur hatte sich so weit herumgedreht, wie sie konnte, weiter, als sich ein Mensch jemals umdrehen konnte. Sie streckte Kennit die Arme entgegen.
    »Du kannst ihm helfen!« Etta bettelte um Bestätigung. »Er wird doch nicht sterben?«
    Viviace antwortete nicht auf ihre Frage. Ihre grünen Augen schienen so tief wie der Ozean zu sein, als sie Ettas Blick erwiderten. Und auch die Unerbittlichkeit des Ozeans schimmerte in ihnen. »Gib ihn mir!«, wiederholte sie ruhig.
    Ettas Herz krampfte sich zusammen, und sie bekam keine Luft mehr. Ihr ganzer Körper kribbelte merkwürdig, und sie war wie betäubt. »Gebt ihn ihr«, stimmte sie schließlich zu. Sie spürte nicht, wie sie den Mund bewegte, aber sie hörte die Worte. Wintrow und Jola hoben Kennits Körper an und reichten ihn der Viviace. Etta hielt Kennits Hand fest in ihrer, als das Schiff ihn in die Arme nahm. »Oh, mein Liebster«, trauerte sie, als Viviace ihn in Empfang nahm. Dann drehte sich die Galionsfigur mit dem Körper herum, und Etta musste die Hand loslassen.
    Viviace hob Kennits schlaffen Körper an ihre Brust und drückte ihn, während sie ihren gewaltigen Kopf über ihn senkte. Konnte ein Lebensschiff weinen? Dann hob sie den Kopf und warf ihr rabenschwarzes Haar zurück. Ein weiterer Felsbrocken streifte ihren Bug. Das ganze Schiff erbebte von dem Aufprall.
    »Paragon!«, rief sie laut. »Schnell, beeil dich. Kennit gehört dir. Komm und nimm ihn!«
    »NEIN!«, schrie Etta verständnislos. »Du willst ihn seinem Feind ausliefern? Nein, nein, gib ihn mir zurück!«
    »Shh. Es muss sein.« Viviace sprach freundlich, aber bestimmt. »Paragon ist nicht sein Feind. Ich gebe ihn seiner Familie wieder, Etta.« Freundlich fügte sie hinzu: »Du solltest mit ihm gehen.«
    Paragon kam immer näher, und seine Hände tasteten blindlings nach Viviace. »Hier, hier bin ich«, rief sie und führte ihn zu sich. Es war ein wahnsinniges und tollkühnes Manöver, zwei Schiffe so nahe aneinander zu bringen, Bug an Bug und zu allem Überfluss auch noch mitten in einem Steinhagel. Ein Geschoss klatschte vor ihnen ins Meer und spritzte sie beide nass. Sie ignorierten es. Paragons Hände packten plötzlich die von Viviace und tasteten sich weiter zu Kennit, der in ihren Armen lag. Einen Moment schwankten die beiden Lebensschiffe in einer merkwürdigen Umarmung, während der Pirat zwischen ihnen ruhte. Dann legte Viviace Kennits schlaffen Körper in Paragons Arme.
    Etta stand an der Reling und beobachtete die Veränderung, die auf dem jugendlichen Gesicht von Paragon sichtbar wurde.
    Er biss sich auf die Unterlippe, vielleicht, damit sie nicht bebte.
    Dann hob er Kennits Körper hoch.
    Paragon öffnete endlich die Augen. Sie waren blassblau. Er sah dem Piraten lange ins Gesicht. In seinem Blick lag die Sehnsucht von Jahrzehnten des Wartens. Dann drückte er ihn ganz langsam an sich. Kennit sah in den Armen der Galionsfigur beinahe wie eine Puppe aus. Ihre Lippen bewegten sich, aber Etta konnte nichts hören. Das Blut aus Kennits Wunden verschwand plötzlich, als es Paragons Holz berührte. Es wurde aufgesogen und hinterließ nicht einmal einen Fleck. Paragon beugte sich über Kennit und küsste ihn unglaublich zärtlich auf den Scheitel. Schließlich blickte die Galionsfigur hoch. Paragon sah Etta mit Kennits Augen an und lächelte. Es war ein unendlich trauriges Lächeln, das dennoch friedlich und harmonisch wirkte.
    Eine ältliche Frau an Bord des Schiffes streckte die Hände nach Kennits Körper aus. Ihr liefen Tränen über das Gesicht, und sie jammerte laut, aber wortlos, eine schreckliche, zungenlose Klage. Hinter ihr stand ein großer, dunkelhaariger Mann. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt, den Unterkiefer vorgeschoben und die Augen zusammengekniffen.
    Aber er mischte sich nicht ein. Er trat sogar vor und stützte Kennits Körper, als Paragon ihn in die wartenden

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