Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
um sie bemühte, aber jetzt hatte sie Lust, eine Weile allein zu sein. Sie lächelte im Spiegel die Frauen um sie herum an. Elise hatte sich einen Teil ihres eigenen dunklen Haars rasiert. Ein Kamm, dekoriert mit rotem Glas, steckte in einer künstlerischen Imitation von Maltas natürlichem Kamm an der gleichen Stelle. Die anderen beiden jungen Frauen hatte ihre Augenbrauen gezupft und sie durch glitzernde Kosmetik ersetzt. Eine hatte rot gewählt, Malta zu Ehren. Die anderen schimmernden Augenbrauen waren blau. Malta fragte sich, ob das ein Versuch sein sollte, Reyn zu schmeicheln.
Ein weiterer Blick in den Spiegel versicherte ihr, dass keinerlei kosmetische Anstrengungen sie so exotisch aussehen lassen würden wie Malta. Sie lächelte über sich selbst und genoss es, wie sich das Licht auf ihren Schuppen bewegte. Sie drehte langsam den Kopf von der einen zur anderen Seite.
»Wundervoll«, wiederholte sie. »Ihr könnt alle gehen.«
»Aber Mylady, Eure Strümpfe und Slipper…«
»Ich lege sie selbst an. Geht jetzt, geht nur. Oder wollt Ihr mich glauben machen, dass nicht irgendwo junge Männer ungeduldig darauf warten, dass ihr heute ein paar Augenblicke früher frei bekommt?«
Das Lächeln der Frauen im Spiegel sagte ihr, dass sie richtig geraten hatte. Ein großer Ball wie dieser sorgte auf allen Ebenen des Satrapenpalastes für große Aufregung. Es wurde in nicht weniger als vier verschiedenen Ballsälen getanzt, einer für jeden Stand der Aristokratie, und Malta wusste, dass die Aufregung und der Glanz sich auch auf Feiern in den Gemächern der Dienstboten erstreckten. Dass es das dritte Fest dieser Art in weniger als einem Monat war, schien die Begeisterung der Menschen nicht zu schmälern. Niemand wollte sich die Gelegenheit entgehen lassen, noch einmal einen Blick auf die ernste und schlanke Schönheit werfen zu können, die Königin der Pirateninseln, oder gar die Gelegenheit versäumen, die beiden Altvorderen zusammen tanzen zu sehen.
Neue einflussreiche Berater und Adlige von Jamaillia würden es sich nicht nehmen lassen, dem jungen Satrapen zu schmeicheln, der sich so heldenhaft zu einem Abenteuer in die große weite Welt aufgemacht hatte und dann mit so vielen mächtigen Verbündeten zurückgekehrt war. Heute würde dafür auf lange Sicht die letzte Gelegenheit sein. Morgen segelten sie und Reyn mit Wintrow und Königin Etta auf der Viviace nach Norden. Morgen würden sie endlich die Heimreise antreten.
Malta zog ihre Strümpfe an und dann die kleinen weißen Samtslipper. Als sie den zweiten überstreifte, hielt sie plötzlich inne und betrachtete ihn genauer. Sie erinnerte sich daran, wie tragisch sie es gefunden hatte, dass sie auf ihrem ersten Ball keine neuen Slipper gehabt hatte. Ihr Mitgefühl gehörte dem Mädchen, das sie einst gewesen war, auch wenn sie jetzt gleichzeitig den Kopf über ihre Ignoranz von damals schüttelte.
Sie nahm die weißen Spitzenhandschuhe von ihrem Frisiertisch. Sie reichten ihr bis zum Ellbogen und waren so raffiniert verarbeitet, dass ihre roten Schuppen hindurchschimmern konnten. Gestern hatte ihr eines ihrer Mädchen erzählt, dass man auf dem Basar mittlerweile Handschuhe mit glitzernden Steinen kaufen konnte, die diesen Effekt nachahmten.
Malta betrachtete sich ungläubig im Spiegel. Alle, alle hielten sie für wunderschön. Ihr Kleid war ein Traum aus Weiß, mit verborgenem rotem Stoff, der sich nur zeigte, wenn Reyn sie auf dem Tanzboden herumwirbelte. Die Näherin, die es für sie angefertigt hatte, erzählte ihr, der Schnitt wäre ihr in einem Traum erschienen, in dem sie von Drachen geträumt hätte.
Malta stützte ihre Hände auf die schmale Taille und drehte sich herum. Beinahe wäre sie gefallen, als sie gleichzeitig versuchte, den Kopf zu drehen, um das Rot aufblitzen zu sehen. Sie lachte über ihre alberne Eitelkeit und verließ die Ankleidekammer.
Kurz darauf klopfte sie zweimal an eine Tür und trat dann kühn in den Raum, ohne abzuwarten. »Etta?«, fragte sie leise.
Es war dämmrig in dem Raum.
»Hier bin ich«, antwortete die Königin der Pirateninseln.
Malta durchquerte schnell den dunklen Raum und betrat Ettas gewaltiges Ankleidezimmer. Überall standen Schränke offen, Gewänder lagen auf Stühlen und dem Boden, und Etta saß in ihrem Unterzeug vor dem Spiegel. »Wo sind deine Zofen?«, fragte Malta vorsichtig. Wintrow hatte sie vor Ettas Temperament gewarnt. Malta hatte allerdings ihre Wut niemals erlebt, sondern nur ihre unendliche
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