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Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche

Titel: Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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hatte sich darauf gefreut, dass sie endlich aufwachte, sich das Gefühl von Verbundenheit ausgemalt, das sie so kurz geteilt hatten. Aber so war es nicht mehr. Er konnte sie nicht erreichen und fühlte sie kaum. Er war so allein wie zuvor.
    Und Brashen traute ihm nicht mehr. Paragon hatte versucht, ihm klarzumachen, dass er unterhalb der Wasserlinie keinen Schaden davongetragen hatte, aber Brashen hatte darauf bestanden, das Schiff auf den Strand zu setzen. Der Kapitän hatte sich förmlich entschuldigt und gesagt, dass er dasselbe mit jedem Schiff tun würde, das so beschädigt war wie er.
    Dann hatte er Paragons angesengten Rumpf auf einen Sandstrand auflaufen lassen. Als die Ebbe kam und das Wasser sich zurückzog, lag er auf dem Strand. Der größte Teil seines Rumpfes befand sich oberhalb der Wasserlinie. Wenigstens war er jetzt außerhalb der Reichweite der Seeschlange. Sie hatte ihn ständig umkreist und ihm eingeflüstert, er solle sich rächen. Es machte ihn wahnsinnig.
    Brashen hatte dem kläglichen Rest der Mannschaft befohlen, die Reparaturen durchzuführen. Er schritt über das Deck, und allein seine Gegenwart flößte den Männern Respekt ein, auch ohne dass er etwas sagte. Die Arbeit schritt voran, obwohl die Seeleute sich lustlos bewegten. Der Ersatzmast war herausgeholt und aufgebaut worden. Man hatte Beschläge gerettet, heile Stücke von Tau aufgespleißt und zusammengedreht und Segeltuchreste und andere Vorräte an Deck gebracht. Verdorbene Lebensmittel waren über Bord geworfen und das zerborstene Fenster in der Kapitänskajüte war vernagelt worden. Einen Teil der Männer hatte Brashen an Land geschickt, damit sie Holz für Sparren schnitten. Die grünen Stämme waren zwar alles andere als angenehm zu verarbeiten, aber sie hatten keine Wahl. Niemand redete, keiner sang, und es flogen auch keine Scherzworte hin und her. Selbst Clef war in sich gekehrt und schweigsam. Niemand hatte versucht, die Blutflecken von Paragons Deck zu schrubben.
    Die Leute gingen einfach darum herum oder traten darüber hinweg. Das Schlangengift hatte Vertiefungen und Dellen in das Hexenholz gefressen. Es hatte sein Gesicht getüpfelt und Streifen auf seiner Brust hinterlassen. Noch mehr Narben, die er tragen musste.
    Amber trug ein weites Kleid aus einem Bettlaken und hatte mit den anderen geschuftet, bis Brashen ihr befohlen hatte, eine Pause einzulegen. Eine Weile hatte sie ruhig in ihrer Koje gelegen. Doch dann war sie aufgestanden, als könnte sie die Ruhe nicht ertragen. Jetzt saß sie auf dem Vordeck und legte sich die Werkzeuge für ihre nächste Aufgabe zurecht. Sie bewegte sich unbeholfen und entlastete die verätzte Seite ihres Körpers. Paragon hatte sich längst daran gewöhnt, dass sie ihm alles erklärte, was sie tat, aber heute blieb sie schweigsam. Er fühlte, dass sie abgelenkt war, wusste aber nicht, was das bedeutete.
    Kennit und die Viviace waren verschwunden, als wären sie niemals da gewesen. Nur eine Seeschlange war von dem ganzen Knäuel, das ihn angegriffen hatte, geblieben. Die milden Tage seit dem Ende des Sturms schienen aus allen Geschehnissen einen Traum zu machen. Aber es war keiner.
    Die Drachen lauerten in ihm, direkt unter der Oberfläche.
    Frisches Blut befleckte seine Decks. Einige Männer der Mannschaft waren noch immer wütend auf ihn. Oder hatten Angst. Manchmal konnte man bei Menschen den Unterschied nur schwer feststellen. Am schlimmsten traf es ihn jedoch, dass Amber so abweisend war.
    »Ich konnte nichts dagegen tun«, beschwerte er sich erneut.
    »Konntest du nicht?« Ambers Stimme klang unbeteiligt.
    Sie benahm sich schon den ganzen Nachmittag so. Sie beschuldigte ihn nicht, akzeptierte jedoch auch nichts, was er sagte. Ihm riss der Geduldsfaden. »Nein, konnte ich nicht! Und da du durch meine Erinnerungen getapst bist, müsstest du das eigentlich verstehen können! Kennit ist meine Familie. Das weißt du ja jetzt. Du weißt jetzt alles. Alle Geheimnisse, die ich für ihn sicher verwahren wollte. Das habe ich geschworen, und du hast sie gestohlen!«
    Er schwieg, und das schlechte Gewissen plagte ihn. Er konnte nicht treu sein. Hielt er sein Wort Kennit gegenüber, dann verriet er Amber und sein Drachenselbst. Kennit war zwar seine Familie, aber er hatte erneut sein Versprechen ihm gegenüber gebrochen. Er war untreu und böse. Schlimmer noch, er war sogar erleichtert darüber. Seine Gefühle drehten sich wie eine Wetterfahne. Er hatte nicht wirklich sterben und die ganze

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