Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
geboren worden. Kannst du dir das vorstellen? Die einzige Geburt, die ich jemals miterlebte, war in der Lage, all die Todesfälle vergessen zu machen, die ihr vorausgegangen waren. Sein Vater hielt ihn mir hin, noch blutig von seiner Geburt. ›Du warst niemals mein Schiff, Paragon‹, sagte er. ›Nicht in deinem Herzen. Aber vielleicht kannst du ihm gehören, so wie er dir gehört.‹
Und das tat er. Er hielt die Drachen in Schach. Du dagegen hast sie losgelassen, und nun müssen wir alle die Konsequenzen tragen.«
»Sie scheinen ruhig zu sein. Zu schlafen«, meinte Amber.
»Du scheinst du selbst zu sein. Nur… offener.«
»Genau. Offen und meine Geheimnisse ausplaudernd. Was genau machst du da eigentlich?« Er hatte gedacht, sie begutachte die Schäden durch das Feuer. Und er hatte geglaubt, dass sie über seinen Rumpf kriechen würde, nicht über seinen Körper.
»Ich halte mein Wort, das ich dir und den Drachen gegeben habe. Ich werde dir neue Augen schnitzen. Und ich versuche herauszufinden, wo ich anfangen muss, um das hier zu reparieren.«
»Nicht.«
»Sicher nicht?«, fragte Amber ihn ruhig. Er spürte ihre Bestürzung. Sie hatte es den Drachen versprochen. Was sollte sie tun, wenn Paragon es jetzt verbot?
»Nein. Ich meine, repariere mein Gesicht nicht. Erschaffe mir ein Neues. Eines, das ganz und gar mir selbst entspricht.«
Sie fragte ihn glücklicherweise nicht danach, was er damit meinte. »Bist du sicher?«
Er dachte einen Moment nach. »Ich glaube… ich will kein Drache sein. Das heißt, ich will es schon, aber ich möchte beide sein, wenn ich denn schon muss. Und außerdem auch noch Paragon. Ich möchte das sein, was du gesagt hast: Drei in einen verschmolzen. Ich will…« Er zögerte. Wenn er es aussprach und sie ihn auslachte, wäre das schlimmer als der Tod. Das Leben war immer härter als der Tod. »Gib mir ein Gesicht, das du lieben könntest«, bat er sie schließlich.
Sie wurde ganz ruhig und weich in seinen Händen. Die Spannung, die er in ihren Muskeln spürte, verschwand. Er fühlte, wie sie etwas tat, und dann glitten ihre nackten Hände über sein Gesicht. Mit ihrer Berührung schätzte sie ihn ab und öffnete sich gleichzeitig vor ihm. Wenn ihre Haut an seiner Haut lag, konnte sie sich nicht mehr vor ihm verstecken. Er merkte genug, um zu wissen, dass es das Mutigste war, was sie jemals getan hatte. Er unterdrückte seine Neugier und versuchte, ihr Vertrauen zu erwidern. Er griff nicht einfach zu und plünderte ihre Geheimnisse. Er würde warten und nur nehmen, was sie ihm anbot.
Paragon fühlte, wie ihre Finger über sein Gesicht glitten und ihn abschätzten. Dann legte sie die flache Hand auf seine Wange. »Das ginge. Es wäre sogar leicht.« Sie räusperte sich.
»Es ist zwar viel Arbeit, aber wenn wir in Bingtown einlaufen, hast du wieder ein neues Gesicht.«
»Bingtown?« Er war erstaunt. »Wir segeln nach Hause?«
»Wohin sonst? Welchen Sinn hätte es, Kennit noch weiter herauszufordern? Viviace scheint bei ihm zufrieden zu sein. Und selbst wenn nicht, was könnten wir schon ausrichten?«
»Und was ist mit Althea?«, widersprach er.
Amber hielt mitten in ihrer Arbeit inne. Sie lehnte ihre Stirn gegen seine Wange und ließ ihn ihre Not spüren. »All das haben wir ja wegen Althea unternommen, Schiff. Ohne sie ist bedeutungslos, was ich tue. Brashen hat nicht mehr den Mut, weiterzumachen, und seine Mannschaft hat nicht mehr die Kraft, sich zu rächen. Althea ist tot, und ich habe versagt.«
»Althea? Althea ist nicht tot. Kennit hat sie an Bord genommen.«
»Was?« Amber versteifte sich und presste ihre Hände auf sein Gesicht.
Paragon war verblüfft. Wie konnte ihr das entgangen sein?
»Kennit hat sie an Bord gezogen. Das hat mir die Seeschlange erzählt. Ich glaube, sie wollte mich wütend machen. Sie sagte, dass Kennit mir zwei meiner Menschen gestohlen hätte, beides Weibchen.« Er hielt inne, als er fühlte, wie sie strahlte. Es war, als breche eine Muschel um sie herum auf. Wärme und Freude schienen sich aus ihr zu ergießen.
»Jek auch!« Sie holte bebend Luft, als habe sie eine ganze Weile nicht atmen können. Sie sprach zu sich selbst. »Immer wieder, immer wieder. Ich verliere einfach zu schnell meine Zuversicht. Mittlerweile sollte ich es eigentlich besser wissen. Der Tod kann nicht gewinnen. Er droht, aber er kann die Zukunft nicht verhindern. Was geschehen soll, wird auch geschehen.« Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange, was ihn vollkommen
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