Zebulon
Gottes, und wir schenken ihm die Freiheit.«
Während der Miwok erneut in den Fluss hinabgelassen wurde, suchte der Direktor in seiner Bibel nach einem geeigneten Zitat über Heiden und Ungläubige. Auf Deck schlossen Gefangene und Wärter im Flüsterton Wetten ab, und die Quote betrug zwanzig zu eins gegen den roten Nigger. Nichts rührte sich außer den Schwalben, die über dem Fluss Jagd auf Insekten machten. Irgendwo quakte ein Frosch. Dann Stille.
Zebulon bemerkte als Einziger zwei Reiter, die am Flussufer aufgetaucht waren. Einer von ihnen war eine Frau – Delilah. Der andere war Hatchet Jack.
Eine halbe Stunde später klappte der Direktor seine Bibel zu, und der Miwok wurde aus dem Wasser hochgehievt. Nachdem sein lebloser Körper auf das Deck gelegt worden war und der Direktor sich überzeugt hatte, dass diesmal weder der Herr noch der Teufel interveniert hatte, ließ er sich zu seinem Haus zurückrudern, in dem das Abendessen auf ihn wartete.
In der Nacht lag Zebulon in seiner Koje und träumte von Wassergeistern, die sich über ihn erhoben wie hin und her schwankende Anacondas. Die Wassergeister hüllten ihn in einen Fluch, der irgendwie mit Delilah, dem ertränkten Miwok und, aus ferner Vergangenheit, mit dem Shoshone-Halbblut Nicht-hier-nicht-da zusammenhing. Er spürte, wie er hoch in die Luft emporgehoben wurde, dann stürzte er einen langen Abhang hinunter und rollte schließlich in einen Graben. Unfähig, sich zu bewegen, und nicht sicher, ob er tot oder lebendig war, wurde er aus dem Graben gezerrt und an einen von Delilah und Hatchet Jack gezogenen Wagen gehängt.
Die nächsten Tage zeigte sich der Direktor öfter vor den Gefangenen, kontrollierte ihre Fortschritte, wenn sie Erde schaufelten oder Steine für das ehrgeizige neue Straßennetz der Hauptstadt brachen. Gegen die unerträgliche Hitze hielt er sich einen Sonnenschirm über den Kopf, trank aus seiner Feldflasche und schüttete sich anschließend Wasser über Kopf und Schultern. Wenn er eine Trinkpause für alle anderen anordnete, gab er Zebulon die Feldflasche mit dem Auftrag, sie aus einem Wassereimer aufzufüllen. So führte er seinem Körper immer genug Flüssigkeit zu, während Zebulon immer mehr austrocknete, denn irgendwann sollte er begreifen, dass Wasser etwas war, worüber der Direktor verfügte, wofür er jedoch dankbar zu sein hatte – eine Unterwerfung, die, das versprach der Direktor, letztlich zur Erlösung führen werde.
Eines Nachts, mitten in einem Gewitter, knackte ein frisch eingelieferter chinesischer Häftling seine Fußfesseln und Handschellen. Niemand sah und hörte ihn, als er übers Deck auf Zebulons Koje zukroch. Vor ihm kniend, berührte er sanft Zebulons Stirn, mit Fingern so zart wie die Fühler einer Gottesanbeterin.
Zebulon packte den Chinesen am Hals und versuchte, ihm die Kehle zuzudrücken.
Der Chinese seufzte und wehrte sich nicht, dann drückte er Zebulon seinen Ellbogen in die Magengrube, bis der von seiner Kehle abließ.
»Ich bin Lu Yang«, flüsterte der Chinese. »Ich sehe dich früher in Traumpalast. Ich öffne Tür. Du suchst nach Drachenfrau, Delilah. Stammkundin. Erinner?«
Bis auf seine winzigen, flaschendicken Brillengläser war Lu nicht wiederzuerkennen, denn über seine Wange lief eine blutrote Narbe.
»Delilah sagt hallo«, sagte Lu.
Er sprach die Worte mit schmerzlicher Deutlichkeit aus, als hätte er Englisch aus einem Kinderbuch gelernt. »Ich zu Fuß geh nach Sacramento, will Boss von Gefängnis finden. Jeder in Sacramento reden Musik und machen Spaß. Nur nicht, wenn ich hol raus Würstchen und mach Gefängnisboss nass. Soldaten und Gefängnisboss wird wütend und bring mich hierher.«
Er sah Zebulon mit einem fragenden Lächeln an. »Du bereit Ausbruch aus Gefängnis, gesetzlos Mann?«
Draußen heulte der Wind über dem Fluss, und Wellen klatschten gegen den knarrenden Schiffsrumpf.
»Horch groß Wind«, sagte Lu. »Vielleicht du nicht mag Wind. Delilah leer innen. Nicht mag Wind. Wie Ozean. Du innen wie Schwein rennt weg von Axt. Laut. Immer denk, vielleicht bist tot. Wenn tot, nix passier. Wenn nix passier, Denken kommt. Du jetzt tot Mann zwischen zu viele Welt. Wer sag dir, sollst sein glücklich? Wer sag dir, zuhör? All gut. Dann wir umrühr Suppe.«
Zebulon hatte keine Ahnung, was der Chinese ihm sagen wollte.
Lu lächelte, als verstehe er Zebulons Verwirrung. »Kein Sorge. Lu, Hatchet, Plug, wir rühr um Suppe. Wir trink. Viel Würz. Dann wir brech
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