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Zehn Jahre nach dem Blitz

Zehn Jahre nach dem Blitz

Titel: Zehn Jahre nach dem Blitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pjhilip K. Dick
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Minuten später blitzte Licht über ihm auf; Erde, Wurzeln und Steine prasselten ihm ins Gesicht, und obgleich ihn seine Schutzbrille und die Maske, das gesamte Helmgefüge, schützte, zuckte er zurück. Sonnenlicht. Entsetzlich und grau und so stechend, daß es ihn mit unbändigem Haß erfüllte; er fuhr mit gekrümmten Fingern nach oben, als wolle er es zerreißen, als sei es ein Auge, ein Auge, das sich niemals schloß. Sonnenlicht. Der Tag-und-Nacht-Rhythmus, nach fünfzehn Jahren. Wenn ich beten könnte, dachte er, würde ich es jetzt tun. Beten, daß der Anblick dieses ältesten aller Götter, des Sonnengottes, nicht der Vorbote des Todes ist, daß ich lange genug lebe, um diesen Rhythmus von Tag und Nacht zu schauen, daß es nicht mit diesem einen brennenden, armseligen Blick endet.
    »Ich bin durch«, sagte er in das Funkgerät.
    Er bekam keine Antwort. Entweder war die Batterie schließlich doch zu schwach geworden – aber seine Helmlampe brannte noch, obwohl sie angesichts des mittäglichen Himmels über ihm nur noch schwach leuchtete. Heftig schüttelte er das Funkgerät; jetzt plötzlich schien es ihm wichtiger, die Verbindung zum Tank unten wiederaufzunehmen, als seinen Weg voran fortzusetzen – mein Gott, dachte er, meine Frau, mein Bruder, meine Leute; ich bin abgeschnitten.
     
    Der Drang, zurückzukriechen, überfiel ihn mit furchtbarer Gewalt; er kämpfte verzweifelt: Erde und Steine wurden hinaufgeschleudert, andere prasselten nach unten – er zog sich aus dem Schacht hinauf, krallte sich fest und drängte sich an die feuchtkalte, flache Erde, und es war die Erde der Oberfläche, eine endlose Horizontale. Und er lag bäuchlings darauf, preßte alle Körperteile dagegen, als wolle er ihr seine Umrisse einprägen; ich will einen Abdruck hinterlassen, dachte er ungestüm. Einen Abdruck von der Größe eines Menschen; er wird niemals vergehen, wenn auch ich nicht mehr bin.
    Er öffnete die Augen und blickte nordwärts – es war leicht, den Norden zu bestimmen; es zeigte sich an den Felsen und am Gras, den verdörrten, braunen, elenden Unkrautbüscheln unter ihm und um ihn herum; das Polarfeld zog in seiner Umdrehung alles Leben an sich. Dann blickte er zum Himmel auf und wunderte sich, daß er so grau erschien, kein bißchen blau. Staub, dachte er. Vom Krieg natürlich; die Teilchen haben sich nie völlig gesetzt. Enttäuschung überkam ihn.
    Aber der Boden. Etwas Lebendiges kroch über seine Hand; es war ein gepanzertes Tier, das er, aus der bloßen Erinnerung und dem Erkennen heraus, bewunderte. Die Ameise trug etwas Winziges, Weißes zwischen den Greifern, und er beobachtete sie, bis sie verschwunden war; es waren keine besonders klugen Tiere, aber immerhin gaben sie nicht auf. Und – sie waren hier oben geblieben; sie waren damals, vor fünfzehn Jahren, nicht geflohen; sie hatten dem Tag des Jüngsten Gerichts, dem Tag des Zorns, ins Auge gesehen und waren noch immer hier. Wie dieser Vertreter seine Rasse bezeugte; in ihm hatte er nicht nur eine Ameise gesehen, sondern alle Ameisen der Welt und für alle Ewigkeit, als würde sie sich seinem Zeitbegriff entziehen.
    Aus seinem Funkgerät drangen plötzlich wieder knatternde Geräusche. »Hallo, Präsident St. James! Sind Sie durch?« Worte der Erregung überschlugen sich in dem winzigen Gerät.
    »Ich bin durch.«
    »Reden Sie, beschreiben Sie es uns.«
    »Vor allem«, sagte er, »ist der Himmel grau aufgrund der herumschwebenden Teilchen. Das ist ein bißchen enttäuschend.«
    »Ja, das ist ein Jammer!« Am anderen Ende der Leitung drängten sie sich zusammen.
    Nicholas erklärte: »Ich kann nicht viel erkennen. Zu meiner Rechten befinden sich die Überreste von Cheyenne; ein paar Gebäude stehen noch, aber ansonsten sieht es ziemlich schlimm aus. Ich sehe die Ruinen in weiter Ferne am Horizont. Etwas näher an meinem jetzigen Standort liegen große Felsblöcke. Eigentlich ...« Es hätte schlimmer sein können, und er war überrascht. Denn in einiger Entfernung entdeckte er etwas, das aussah, als wären es Bäume. »Nach den TV-Informationen«, fuhr er fort, »müßte direkt hinter der Grenze zu Nebraska dieser große Militärstützpunkt liegen; ich werde mich, wie wir es geplant hatten, nordöstlich halten, und ich hoffe ...«
    »Vergessen Sie nicht«, rasselte es aufgeregt aus dem Lautsprecher, »daß allen Gerüchten zufolge die Schwarzmarkthändler in den Ruinen der zerstörten Städte leben sollen, in kellern und alten Atombunkern. Wenn

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