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Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Titel: Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hallgrimur Helgason
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Weise zu bilden. Dann sagt sie, dass wir gerade durch eine Stadt namens Kopf Ohr gefahren sind.
    »Und das ist jetzt Reykjavik?«, fragt Hochwürden, während er mit einer Hand den engen Priesterkragen an seinem dicken Hals richtet und mit der anderen durch die Windschutzscheibe zeigt.
    »Ja, jetzt sind wir in Reykjavik.«
    »Stimmt es, dass Tarantino hier gern abhängt?« Ups. Das klingt zu cool für einen Kirchenmann. Ich füge eilig hinzu: »Ich meine, dass Reykjavik seine Lieblingsstadt ist?«
    Sie wirft mir einen flüchtigen Blick zu und überlegt wahrscheinlich, ob sie hier mit einem Promi-Priester von Scientology sitzt, der seine Freizeit mit Tom Cruise und John Travolta auf dem Golfplatz verbringt, und sagt dann: »Ja. Er war Silvester hier. Meine Freundin kennt ihn. Er ist okay.«
    Zum Glück habe ich ihn nicht umgebracht.
    Jenseits einer Bucht schirmt eine lange Bergkette die Stadt Richtung Norden ab. Sie hat die Form eines gigantischen gestrandeten Wals. Noch weiter nördlich und im Osten sind ebenfalls Berge, die wie blaue Leoparden mit weißen Schneeflecken am Horizont liegen. Obwohl sie so weit weg sind wie die Bronx von Boston, kann man sie ähnlich deutlich sehen wie die eigene Schuhspitze, denn die Luft ist so sauber wie ein Fenster im Trump Tower. Das Blau des Meeres ist dunkel, bis in die Ferne sieht man, wie sich Wellen bilden und brechen. Alles ist kristallklar. Wie der Geist eines kaltblütigen Killers.
    Das Autoradio liefert Justin Timberlake: »You're a good girl and that's what makes me trust you.« Auf den Straßen herrscht dichter Verkehr, doch die Bürgersteige sind menschenleer. Erinnert irgendwie an Sarajewo zu Zeiten der Ausgangssperre. Perfekte Bedingungen für Fernschüsse vom Dach. Die meisten Autos sind aus Japan oder Europa, alle wirken nagelneu. Hier sind reiche Leute unterwegs. Fast jedes zweite Auto ist ein Geländewagen, in vielen von ihnen sitzen butterblonde Eisköniginnen wie Gunholder. Wo sind bloß deren Ehemänner?
    »Gab es hier in letzter Zeit einen Krieg?«, frage ich.
    »Krieg? Nein. Wir haben nicht mal eine Armee.«
    Verarschen kann ich mich selber.
    »Wieso fragen Sie?«
    »In allen diesen Autos sitzen nur Frauen.«
    »Die meisten haben zwei Autos. Eins für sie, eins für ihn.«
    Ich sehe mir den schwarzen Range Rover auf der Spur neben uns an. Am Steuer eine Art Virginia Madsen.
    »So, so. Aber das ist doch kein Auto für eine Frau.«
    Sie sieht mich böse an.
    »In Island sind die Frauen gleichberechtigt.«
    Das grimmige Funkeln in ihren eisblauen Augen sagt mir, dass ich zumindest versuchen sollte, ihr zu glauben. Gleichberechtigt. Sachen gibt's.
    Sie ist angepisst und gibt mir auf meine nächsten Fragen nur die kürzestmöglichen Antworten. Ja, fünf Grad ist etwas kühl für diese Jahreszeit. Zehn Grad wären normal (!). Ja, sie hat gestern Nacht Party gemacht. Und ja, Justin Timberlake ist relativ beliebt in Island. (Ich habe anscheinend beschlossen, dass Mr. Friendly ein ziemlich langweiliger Kerl ist.)
    Wir erreichen die Altstadt. Hier sind die Bäume höher und die Häuser kleiner, die Straßen schmaler. Zu unserer Linken eine Art größerer Teich mit Schwänen. Auf den Hügeln stehen alte Häuser mit Spitzdächern und Butzenfenstern und glotzen auf den Teich wie verklemmte Gäste, die auf einem langweiligen Silvesterball um die leere Tanzfläche herumstehen. Jedes noch so kleine Haus hat sich fein gemacht, mit Zylinder und Fliege, viele sind außerdem noch mit Wellblech verkleidet. Das hätten wir mal zu Hause haben sollen. Kugelsichere Westen für Häuser.
    Gunholder biegt ab und parkt ihren Škoda in einer steilen Seitenstraße vor einem kleinen, grünen Haus mit rotem, rostigem Dach. Sie wohnt im ersten Stock.
    Father Friendly segnet ihre Tür mit dem Zeichen des Kreuzes, bevor er sie mit einem schmalen Küchenmesser aus der Kollektion ihrer Mutter aufschließt. Das Mädchen sieht ihn an, als wäre sie gerade Zeugin eines Wunders geworden.
    »Bitte sehr«, sage ich so priesterlich wie möglich und öffne ihr die Tür. Sie geht hinein. Ihre Wohnung ist das absolute Gegenteil von ihrem Gesicht - total verwahrlost. Ein Turm von leeren Pizza-Kartons auf der Arbeitsfläche in der Küche; Unterwäsche, Jeans und T-Shirts auf dem Fußboden; ein halb vertrockneter Lippenstift und ein halb gegessenes Sandwich. Der Geruch von Bier, das seit Tagen offen herumsteht. Doch auf merkwürdige Weise scheint diese Wohnung sehr viel näher an Jesus dran zu sein als das

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