Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen
nur, dass sie nicht mit ihm rummachen würde, selbst wenn sich die Gelegenheit ergeben hätte. Das war im Konditional oder wie das heißt. Aber auf der anderen Seite, wenn sich die Gelegenheit ergäbe, würde sie wohl mit einem unverheirateten Mann rummachen ...
Ach. Scheiß drauf. Sie ist eh tot.
Ich gehe die Straße entlang, da sehe ich sie auf einmal in diesem Auto, einem japanischen Auto, das auf der anderen Straßenseite steht, in der neonhellen isländischen Nacht. Sie winkt mir zu und lächelt so wie immer, wenn sie mich mit ihrem kleinen Honda abgeholt hat. Was ist mit ihrem Auto? Ihrer Wohnung? Sie hatte keine Verwandten. Ich sollte ihre Freundin Wendy anrufen und es ihr erzählen ...
Inzwischen hat die große klamme Wolke über Reykjavik meine Augen erreicht. Sie saugen sich so schnell voll wie ein Wollpullover über einer Schusswunde, und plötzlich schüttelt mich ein solcher Weinkrampf, als wäre es ein Herzinfarkt oder so was in der Art. Ich kann es ums Verrecken nicht unter Kontrolle bringen. Es kommt einfach. Ich habe nicht mehr geweint, seit wir in Paris '98 das Halbfinale gegen Frankreich verloren haben. Ich muss mich gegen einen kleinen Geländewagen lehnen, der still auf seinem Parkplatz steht und mich stützt wie ein Schlachtross seinen verzweifelten Kavalleristen.
Da kommt eine ältere Frau mit ihrem älteren Hund an der Leine um die Ecke. Die Morgenrunde einer Rentnerin. Ich sehe auf, und unsere Blicke treffen sich. Ich befehle meinen Augen dichtzuhalten. Ich muss aussehen wie ein Penner, der seiner letzten Flasche hinterherweint. Doch sie sieht mich unbeeindruckt an, als wäre sie daran gewöhnt, dass New Yorker Mafiosi um fünf Uhr morgens in ihrer Straße herumheulen. Sie ist eine Tag-365-Frau in dickem Rollkragenpullover und eng geschnittenen, dünnen Hosen. Graues Haar, weiße Nikes. Sie erinnert mich an die alten Damen, die auf dem Weg vom Frühstück zum Mittagessen durch Manhattan trippeln, mit ihrer endgültigen Frisur auf dem kantigen Kopf und nagelneuen Teenagerschuhen an den Füßen. Als ob sie am Körper ihr ganzes Leben darstellen wollten, von der Kindheit bis zur Kiste.
Ich weiß nicht, was ich tun soll, aber meine Hand weiß es: Sie hebt sich und winkt ihr zu. Die Frau hält nicht an, aber dafür ihr Hund. Er springt zwischen zwei parkenden Autos hindurch auf die Straße, dorthin, wo ich an dem weißen Geländewagen lehne. Die schlanke, fast athletisch aussehende alte Dame bleibt auf ihrer Seite stehen und zieht an der langen Leine, die sich wohl irgendwo zwischen den Autos verfangen hat. Ihr graues Haar zittert, als sie dem Hund befiehlt, zurückzukommen, aber der Kleine hat Durst auf Traurigkeit: Er schnüffelt an meinen Tränen, den nassen Flecken auf dem Asphalt, wie ein Junkie auf Entzug, der bei seinem täglichen Waldspaziergang eine Koksspur entdeckt. Ich schaue sein Frauchen erneut an, und bevor ich mich versehe, habe ich sie etwas gefragt, das mich noch viel mehr verwundert als mein Winken.
»Entschuldigen Sie. Gibt es hier in der Nähe eine Kirche?«
18. DER MORGEN DER LEBENDIGEN TOTEN
Die Kirche ist zu. Sie steht direkt an dem Teich, in grün gestrichener Wellblechrüstung. Schwäne und Enten ziehen über das spiegelglatte Wasser. Einige scheinen zu schlafen; haben ihren Kopf unter einen Flügel gesteckt, als ob sie in einem Musikvideo von Bette Midier mitspielen. Quack, quack.
Ich setze mich auf die Stufen vor der Kirche. Ein paar Möwen fliegen über meinen Kopf hinweg und beschimpfen mich wie besoffene Engel. Gunnhildur ruft zweimal auf meinem neuen Handy an. Ich gehe nicht ran. Wenn man um seine Gattin trauert, kann die Geliebte nicht helfen. Ein verschlafener Stadtangestellter fährt mit einem kleinen, aber lauten orangefarbenen Monster über den Bürgersteig, auf dessen Rücken sich ein Disco-Licht dreht. Die Maschine hat einen elefantenartigen Rüssel, mit dem sie den gröberen Müll aufsaugt, rotierende Besen erledigen den Rest: wie ein Tier, das sich von Müll ernährt. Der Fahrer fährt vorbei, ohne mich anzusehen. Wenn er doch nur auf meinem Lebensweg so saubermachen könnte. Seit meiner Schulzeit habe ich nichts weiter getan, als ihm Kreuze hinzuzufügen. In meinem Gewissen hat sich ein Stein gebildet, wie ihn andere Leute in der Niere kriegen, nur dass meiner so groß ist wie eine Niere. Ich stehe auf und gehe los. Ich gehe in die Innenstadt, dem Müllmonster hinterher.
Ich habe Munita in Arturo's Restaurant kennengelernt, einem netten
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