Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen
pinkeln.
Ich bin wieder im Krieg. Mit einer Waffe in der Hand und tropfendem Hosenbein schreie ich Menschen auf Kroatisch an. Der massige Körper des Fahrers füllt den größten Teil des Lava-Sargs aus. Neben ihm sieht Niko aus wie eine dünne Altjungfer, die mit ihrem Mann begraben werden soll, mit Augen, die schreien: »Bitte fick mich lieber.«
»GESICHT NACH UNTEN!«, schreie ich und klinge dabei etwas zu nervös.
Ich senke meine Waffe. Zwei Ärsche in Sicht. Zwei weit geöffnete Arschlöcher, die geradezu um Blei betteln. Mir bleibt nichts anderes übrig. Die Killer von Munita müssen in den Kühlschrank. In diesen isländischen Kühlschrank. Ich will gerade abdrücken, als ich in der windstillen Frühlingsnacht einen plötzlichen Hauch spüre. Ich fahre herum, doch ich sehe nichts. Niemand kommt, niemand geht. Nur dieser plötzliche Windhauch, der über die Lavafelsen weht... Amen.
Ich sehe sie eine Weile an, meine früheren Kumpel, wie sie da mit dem Gesicht nach unten in der Lavaspalte liegen, wie zwei feine Herren, völlig overdressed für ein Massengrab. Dann nicke ich ein paarmal und verabschiede mich von ihnen mit einem kurzen kroatischen: »Bok.«
Ich drehe mich um und humpele in Richtung Auto. Mein Unterleib schreit, mein Herz zittert, aber meine Seele sagt Halleluja.
35. DER SERBISCHE BEITRAG
Einen Audi zu fahren, gibt einem immer das Gefühl, dass man eigentlich glücklich sein müsste. Das Leben hat dich mit weichen Ledersitzen und einem Armaturenbrett für Piloten belohnt. Dieser hat zum Glück Automatik, da ich schnell jegliches Gefühl in meinem linken Bein verliere, genauso wie in der linken Hälfte meines Unterleibs. Meine Hose ist durchtränkt von Blut, Urin und irgendwelchen anderen Körperflüssigkeiten, die dabei sind, meinen linken Schuh zu füllen. Die Kugel ist natürlich noch in mir drin. Es fühlt sich an, als würde sie am Boden meiner Blase liegen und dort dasselbe tun wie der Stöpsel in einer Badewanne.
Als ich mich zwanzig schmerzhafte Meter von den beiden Idioten entfernt hatte, drehte ich mich um. Sie schauten mir mit dummglotzenden Augen aus ihrem Lava-Grab hinterher wie zwei Schafe, die in einem Loch festsaßen. Warum hast du uns nicht umgebracht? In ihrem Blick schien sogar etwas Enttäuschung zu liegen. Ich drehte mich von ihnen weg und ging weiter Richtung Auto. Ich schmiss ihre Waffen in den Kofferraum, steckte meine in die Tasche und schaffte es unter großer Anstrengung, meinen Schmerz auf den Fahrersitz zu wuchten.
Ich fahre denselben Weg zurück, den wir gekommen sind. Schon bald erscheint das kilometerlange Aluminiumwerk an der Küste. Zwei Autos fahren daran vorbei, auf der Straße von Keflavik nach Reykjavik. Eurovision muss inzwischen vorbei sein.
Senka war viel zu hübsch für eine Serbin gewesen. Ich verheimlichte ihre Herkunft vor meinen Eltern. Ihr wirklicher Name war Dragana, was sie sofort verraten hätte, also entschieden wir uns für den Namen Senka, der eine bosnische, fast muslimische Abstammung andeutete. Wir waren über ein Jahr zusammen. Dann kam der Krieg, und sie musste mit ihrer Familie fliehen.
Nachdem wir Knin eingenommen hatten, konzentrierten wir uns auf die Umgebung der Stadt. Ich hatte den Befehl, einige deutsch aussehende Landhäuser zu durchsuchen. Eins von ihnen hatte ein zerbombtes Dach, zerborstene Fenster und versengte Wände. Es war ein riesiges Haus mit drei Stockwerken. Das Gewehr im Anschlag ging ich von Zimmer zu Zimmer. Alle waren menschenleer, doch als ich in den Keller kam, hörte ich Geräusche. Ich stürmte in einen kleinen Raum und schrie einen serbischen Soldaten an, der sich unter einem alten hässlichen Bett versteckte. Nachdem ich ein paar Kugeln im Raum verteilt hatte, kroch er heraus. Nur, dass es eine Sie war. Es war Senka. Dragana Avramovič. Sie war noch immer viel zu schön, eigentlich sogar noch unwiderstehlicher in dieser Uniform. Ihr militärisch kurz geschnittenes Haar steigerte ihr jungenhaftes Aussehen bis an die Lesbengrenze. Aber das Muttermal war da und diese verführerischen Lippen, die blitzenden Augen mit ihren ganzen unverständlichen Gedichten ... Ich wollte ihr sofort mit den Fingern in die harte Wange kneifen. Wir waren wie vor den Kopf gestoßen. Sie hatte eine hässliche Narbe am Hals.
»Senka?«
»Tomo?«
Ehe wir uns versahen, küssten wir uns. Zwei Soldaten in feindlichen Uniformen. Aber dann hörte sie plötzlich auf, tat einen Schritt zurück und richtete eine Waffe auf mich,
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