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Zehntausend Augen

Zehntausend Augen

Titel: Zehntausend Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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dreien nur kurz zu und verschwand.
    Ellen atmete auf. Die Anwesenheit von Kronen war erdrückend gewesen und seine Forderungen wenig hilfreich. Sie hätte gerne ein paar Worte mit Direktor Brahe gewechselt, aber Stefan machte keine Anstalten zu gehen.
    »Ich setze für achtzehn Uhr eine Pressekonferenz an«, entschied Brahe. »Ich hoffe, dass die KTU bis dahin etwas zu berichten hat, damit wir einen positiven Ausblick geben können. Stellen Sie bitte die Informationen zusammen und geben Sie die an unseren Pressesprecher weiter, Frau Faber.« Brahe hatte sie offensichtlich noch nicht abgeschrieben.
    »Geht klar.«
    Ohne Stefan eines Blickes zu würdigen, verließ sie das Büro.
    Der Psychologische Dienst befand sich noch mitten im Brainstorming. Normalerweise schrieb jeder seine Ideen auf bunte Zettel, die zunächst wild und unsortiert an eine große Pinnwand geheftet wurden. In einem zweiten Arbeitsgang brachte man dann durch Umheften der Zettel Ordnung in die vielen Gedanken.
    Ellen stellte mit einem Blick fest, dass nur äußerst wenig Zettel an der Wand klebten. Marina Wirtz machte keinen zufriedenen Eindruck.
    »Aufgrund der fehlenden Stimmanalyse haben wir eine viel schlechtere Ausgangslage als sonst«, entschuldigte sie sich. »Wir haben keinerlei Emotionen, die uns einen Anhaltspunkt geben könnten. Wir können keine Rückschlüsse auf das Alter ziehen, selbst das Geschlecht des Erpressers ist offen.«
    »Aber wir reden immer von Erpresser in der männlichen Form.«
    »Weil wir uns dieses Vorgehen bei einem Mann besser vorstellen können als bei einer Frau. Aber es bleibt eine Vermutung.«
    »Wenn der Polizeipräsident wüsste, dass wir nicht mal sagen können, ob wir einen Mann oder eine Frau suchen …«
    »Ein Mann ist wahrscheinlicher.«
    Ellen winkte ab. »Ist schon klar. Männern gefällt es mehr, einer Frau beim Ausziehen zuzusehen. Auf so was kann nur ein Kerl kommen. Sonst noch etwas?«
    »Eine einzige Sache ist wirklich auffällig.« Marina Wirtz zeigte auf die Zettel an der Wand. »Er scheint das Ganze als ein Spiel zu betrachten. Genau genommen als eine Art Computerspiel. Er spricht von einem Level, das erreicht ist. Dieser Begriff ist typisch für Computerspiele.«
    »Und ich bin seine Spielfigur?«
    »Nein, Sie sind sein Gegenspieler. Sie können durch Ihre Aktionen etwas gewinnen – oder müssen bezahlen.«
    »Ich hasse Computerspiele.«
    »Der Erpresser offensichtlich nicht.«
    »Das muss ein abgedrehter Spinner sein.«
    »Die meisten Erpresser sind nicht normal, aber das hilft uns nicht weiter.«
    »Nein. Ich kann schlecht nach einem durchgeknallten Computerspiele-Freak fahnden lassen. Was bringt uns jetzt diese Erkenntnis?«
    »Eine Sache wissen wir mit Sicherheit: Es wird schwerer.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Das folgende Level ist immer schwieriger als das vorhergehende.«
    »Na, prächtig.« Ellen sah missmutig auf die fast leere Pinnwand. Morgen wartete das nächste Level auf sie.
    Sina sah konzentriert auf einen Monitor, der das Bild eines digitalen Mikroskops wiedergab. Ihre roten Haare standen wirr ab, als wäre sie sich schon öfter mit den Händen durch die Stoppeln gefahren. Auf dem zentralen Tisch waren Teile der entschärften Bombe verteilt. Zwei von Sinas Mitarbeitern stocherten, mit Lupen und Pinzetten bewaffnet, darin herum. Zwei weitere analysierten Proben am Gas-Chromatografen. Sina sah kurz auf. Als sie Ellen erkannte, kam sie auf sie zu.
    »Schon hier? Du hast es aber eilig.«
    »Der Polizeipräsident macht enormen Druck. Er war sogar persönlich bei Brahe.«
    »Verstehe. Die Öffentlichkeit macht ihn nervös. Trotzdem können wir keine Wunder vollbringen. Wo nichts ist, können wir auch nichts finden. Den Parkplatz der BVG kannst du übrigens vergessen. Die Bombe ist magnetisch befestigt. Das kannst du überall erledigen, wo der Bus auch nur dreißig Sekunden hält. Kurz gebückt, als ob du etwas aufheben willst, Arm unter den Bus, klick, fertig. Scharf gemacht wird sie per Funk.«
    »Mist. Hast du wenigstens einen kleinen Hinweis für mich? Dann braucht unser Pressesprecher nicht ganz so dreist zu lügen, wenn er erzählt, wir kämen weiter.«
    Sina lächelte. »Vielleicht habe ich sogar ein kleines Wunder für dich. Komm her. Ich zeig dir was.« Sie deutete auf eine bestimmte Stelle auf dem Monitor.
    Ellen sah sich die bezeichnete Stelle an. »Da ist ein schwarzer Strich. Meinst du das?«
    »Genau. Das ist ein kleines Stück von einem Haar. Ich wusste doch,

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