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Zehntausend Augen

Zehntausend Augen

Titel: Zehntausend Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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Übertragung stattfand, sind ausgeblendet. Jetzt sehen wir uns mal den Verlauf der letzten Tage in der Übersicht an.« Er klickte ein paar Mal, und der Maßstab veränderte sich. Die Balken wurden ab einem gewissen Zeitpunkt sprunghaft länger und brachen dann ab.
    »Da ist wohl unsere Verbindung zusammengebrochen«, sagte Ellen. »Bis wohin würden denn die Balken gehen, wenn wir die Verbindung hätten aufrechterhalten können?«
    »Das ist die entscheidende Frage, Frau Faber. Wenn wir die Auflösung so belassen, wie sie jetzt ist, wären die Balken am Anfang dieses Falls bis zum Bildschirmrand gegangen. Heute reichen sie bis zur Zimmerdecke, und morgen wird wahrscheinlich der Dachstuhl nicht ausreichen.«
    Ellen sah unwillkürlich zur Decke. »Sie wollen mich verarschen.«
    Becker grinste. »Keinesfalls. Wir haben Vergleichswerte von Ereignissen, die weltweit Interesse geweckt haben, und können abschätzen, wie sich so etwas auf den Internet-Traffic auswirkt.« Becker blendete ein paar Grafiken ein. »Eines kann ich Ihnen sagen, Frau Faber, Sie liegen an der Spitze, sodass unsere Hochrechnungen eher noch zu niedrig sind.«
    Unzählige Menschen unternahmen größte Anstrengungen, um auf YouTube oder ähnlichen Plattformen überhaupt bemerkt zu werden. Ellen hätte es absolut nichts ausgemacht, vollkommen unbemerkt zu bleiben. Sie empfand Beckers Aussage weder als gute Nachricht noch als Kompliment. »Wie sehen Ihre Hochrechnungen aus?«
    »Ihre Techniker kommen bei ungefähr hunderttausend Zugriffen an ihre Grenzen. Sie können aber am Ende mit einer Zahl zwischen zehn und zwanzig Millionen rechnen. Mit ein bisschen Verbesserung der Leistungskapazität der Polizeiserver ist es nicht getan.«
    Ellen wurde schwindelig. Kamen etwa die Bloody Marys zurück, oder waren es die Zahlen? So viele Menschen sollten sich in ihre Einsatzzentrale klicken? »Das kann ich nicht glauben.«
    »Ich kann Sie nicht dazu zwingen – und wenn Sie so weitermachen wie bisher, werden Sie es auch nicht herausfinden.«
    »Warum sollten sich so viele Menschen für unsere Seite interessieren? Sie ist doch gar nicht so bekannt.«
    »Das ist die Welt des Internets. Erst bemerken es einige und geben es weiter. Dann landet der Link auf Seiten, die wie ein riesiger Verstärker wirken, auf Nachrichtenportalen wie Spiegel Online, Focus, Stern und wie sie alle heißen, auf Blogs und in Foren, bei Twitter. Es gibt schon eine Facebook-Seite, die nur dem Berliner Bomber gewidmet ist. Dadurch werden Hunderttausende aufmerksam. Sie wissen anscheinend überhaupt nicht, wo man Sie überall sehen kann. Ihr Clip auf YouTube ist der Hit.«
    Ellen stand auf, ging zum Fenster und sah hinaus. Sie brachte kein Wort hervor.
    Becker machte ungerührt weiter. »Die nächste Stufe ist das Ausland. Wenn auf den Nachrichtenportalen die Peaks der Zugriffe hochgehen, werden die internationalen Medien aufmerksam. Jeder will dabei sein und keiner als Letzter. Das Ganze ist eine Sache von Minuten.« Er blickte Ellen direkt in die Augen. »In einem Satz zusammengefasst: Wenn Sie das nächste Mal auftreten, geht im Internet ein Tsunami los.«
    Mehr sagte er nicht, aber es genügte, um in Ellen das Gefühl zu wecken, dass dieser Tsunami sie wegspülen würde.
    Becker schwieg eine Weile. Ellen nutzte die Zeit, um diese Informationen zu verdauen. Schließlich sagte er: »Diese Tatsachen können Sie nicht ändern. Sie können nur vermeiden, dass Sie bei Ihren Ermittlungen an diesen Tatsachen scheitern. Eine andere Alternative ist Aufgeben, aber ich glaube, das ist keine Option für Sie.«
    »Nein.« Das stand für Ellen fest. Sie war gewohnt, Fakten ohne Emotionen zu analysieren, aber in diesem Fall wollte es ihr kaum gelingen. Was Becker ihr vorgerechnet hatte, war einfach ungeheuerlich. »Sie glauben also, dass Sie diese Menge von Zugriffen bewältigen können? Wie wollen Sie das machen?«
    Becker lächelte. »Wir haben weltweit siebzigtausend leistungsfähige Server, die eine ganze Menge wegstecken können.«
    Ellen nickte beeindruckt. So viel Leistung würden ihre Techniker niemals zusammenbekommen.
    »Aber die Server alleine reichen nicht«, sagte Becker. »Ein weiteres Problem sind die Kapazitäten der Leitungen. Das lösen wir anders. Sehen Sie hier.« Er blendete eine Deutschlandkarte ein, die von vielen unterschiedlich dicken Strichen durchzogen war. Die dicksten gingen über die Grenzen hinaus.
    »Diese Striche sind die Hauptschlagadern des Internets. Wir werden die

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