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Zehntausend Augen

Zehntausend Augen

Titel: Zehntausend Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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erteilen. Es ist niemandem gestattet, polizeiliche Unterlagen öffentlich zu machen. Und wenn doch, wird es schmerzhafte Konsequenzen haben. Habe ich mich klar ausgedrückt?« Er sah Ellen ernst an.
    »Sie haben sich klar ausgedrückt«, sagte Ellen, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Brahe trat nahe an Ellen heran und beugte sich zu ihr. »Ich habe auch das Radarfoto davor gesehen«, flüsterte er in Ellens Ohr. »Tolle Leistung. Aber seien Sie vorsichtig.«
    Dann zog er sich in die Nähe des Ausgangs zurück. Er schien aus sicherem Abstand verfolgen zu wollen, was für heute geplant wurde. Ellen war sehr zufrieden, wie es eher selten für jemand war, der gerade einen Verweis erhalten hatte.
    Ellen ließ über den Beamer einen zweiten Stadtplan von Berlin an die Stirnwand projizieren, der weniger Details enthielt und deshalb besser für eine Gesamtübersicht geeignet war.
    »Wir hoffen, dass der Erpresser unter Druck Fehler begeht und wir dadurch einen Hinweis auf seinen Standort erhalten«, sagte sie. »Darauf müssen wir vorbereitet sein, denn viel Zeit zum Reagieren haben wir nicht.«
    Ellen blendete zwei Linien ein, die von Norden nach Süden und von Osten nach Westen quer durch Berlin verliefen. »Wie Sie sehen, habe ich Berlin in vier Sektoren aufgeteilt. Wir bezeichnen sie im Uhrzeigersinn oben rechts beginnend mit Sektor I, II, III und IV. Im ungefähren Zentrum jeden Sektors wird ein SEK-Team Stellung beziehen, sodass wir in kürzester Zeit an jeden Ort im Sektor gelangen können. Sobald wir eine Lokalisierung haben, wird sich das Team des betreffenden Sektors so schnell wie möglich vor Ort begeben und das Umfeld sichern. Stefan Daudert wird von hier aus dazustoßen und den konkreten Einsatz leiten. Zur weiteren Unterstützung wird über jeden Sektor eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei verteilt. Sie werden die SEK-Teams ergänzen. Auf diese Weise haben wir eine hohe Zahl an Einsatzkräften in kurzer Zeit an jedem Ort verfügbar.«
    Ellen sah sich um. Viele im Team kannte sie schon lange. Marina Wirtz machte einen neutralen Eindruck, Strategie war nicht ihr Ding. Sie hörte einfach nur zu. Khalid war immer noch die Erleichterung anzusehen, dass von nun an die Technik funktionieren würde. Brahe wirkte zufrieden. In seinen Augen schimmerte Hoffnung, dass es jetzt endlich vorangehen könnte. Stefan war nur bedingt zufrieden. Er verlagerte sein Gewicht dauernd von einem Bein aufs andere, so als ob er sich nicht für eine Seite entscheiden könnte. Natürlich würde er auch einen Fortschritt in diesem Fall wollen, aber es passte ihm sicher nicht, dass er dazu die Zentrale verlassen musste.
    »Wir müssen jetzt wieder in die offizielle Zentrale. Der Erpresser soll nicht das Gefühl bekommen, dass wir ihn hintergehen. Wenn er davon ausgeht, dass alles nach seinen Vorstellungen abläuft, dann ist das die beste Voraussetzung, dass er einen Fehler macht.«
    Ellen wandte sich zum Gehen. Brahe hielt sie auf. »Ein guter Plan. Ich drücke Ihnen die Daumen.«

21
     
    Hajo Richter nickt. Ein guter Plan. Nichts anderes hat er von Ellen erwartet. Sie ist ein würdiger Gegner.
    Zufrieden summend streift er sich einen sterilen Einmal-Kittel über, den er frisch aus der Packung nimmt. Die dunkelblonden Haare verschwinden unter einer Plastikhaube und die Hände in Gummihandschuhen. Über dem Mundschutz sind nur noch seine dunklen Augen sichtbar. Sie glänzen voller Energie.
    Hajo geht hinab in den Keller. Neben einem Schrank befindet sich ein Mauerdurchbruch, der in einen weiteren Raum führt. Jahrelang wurde in diesem Keller nur Gerümpel aller Art untergebracht, bis es sich fast zur Decke stapelte. Hajo hatte hier unten nie aufgeräumt, da für ihn allein in dem Haus genügend Platz ist. Aber irgendwann hatte er sich doch aufgerafft, um den ganzen Mist hinaus auf die Straße zum Sperrmüll zu stellen. Als er den alten Schrank abreißen wollte, waren ihm die nachlässig zusammengemauerten Steine dahinter aufgefallen. Die Form wies eindeutig auf eine zugemauerte Tür hin. Dahinter verbarg sich ein unbekannter Raum. Er war mit Holzkisten vollgestapelt, sodass nur ein schmaler Gang in der Mitte frei blieb. Ein Fenster gab es nicht. Im trüben Licht einer uralten Glühbirne hatte Hajo die Kisten untersucht. Sie trugen alle ein Brandzeichen der Nationalen Volksarmee. An der einzigen freien Stelle an der Wand fand Hajo eine Urkunde. Die Schrift war kaum zu entziffern, so verblichen war sie. Die Urkunde bezeichnete Hajos Vater

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