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Zehntausend Augen

Zehntausend Augen

Titel: Zehntausend Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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Forderung stand noch offen, aber nach seiner gezündeten Bombe im Parkhaus rechnet Hajo fest damit, dass sie bald erfüllt würde.
    »Eine Forderung steht jetzt noch offen«, sagte Ellen. »Der Erpresser besteht darauf, auf dem einmal erreichten Level weiterzuspielen. Sie sind sich sicher klar, was er damit meint.«
    Der erwartungsvolle Ausdruck in den Augen einiger Teammitglieder entging Ellen nicht.
    »Wir wissen, dass dieser Fall kein Spiel ist, sondern bitterer Ernst. Aber es bleibt uns nichts anderes übrig, als diese Forderung zu erfüllen. Bisher haben wir einfach noch zu wenig gegen den Erpresser in der Hand.«
    Während dieser Worte zog Ellen wie beiläufig ihre Bluse aus und warf sie achtlos auf einen Tisch. Ihre innere Anspannung überspielte sie gekonnt. Dann löste sie ihre hochgesteckten Haare und schüttelte sie frei. Sie hatte diese Szene oft im Kopf durchgespielt und sich die Reaktionen ihres Teams ausgemalt. Die Realität übertraf ihre kühnste Vorstellung. Sogar Stefan, der sie ja schon ganz nackt gesehen hatte, öffnete seinen Mund zu einem dümmlichen »Ah«.
    Mit so einem Anblick hatte Stefan wohl nicht gerechnet. Ellens Büstenhalter war von Design und Schnitt nicht nur auf dem neuesten Stand. Im Gegensatz zu Ellens üblichen Sport-BHs, die ihre weibliche Figur nahezu neutralisierten, präsentierte dieser Wonderbra ihre Brust so, dass sie größer und voller erschien, als man es bei Ellens zierlicher Figur vermutet hätte. Dazu kam das offene Haar, das Ellen zu einer ganz anderen Person zu machen schien. Anscheinend nahmen einige Männer und auch Frauen im Team sie zum ersten Mal als Frau wahr.
    Das war längst überfällig. Warum habe ich bloß mein Frausein versteckt und bin aufgetreten wie ein Mann? Aber jetzt wollen wir mal dafür sorgen, dass Frausein nicht als Schwäche missverstanden wird.
    Ellen stellte sich ganz nah vor Stefan und sah ihm scharf in die Augen. »Damit niemand in diesem Raum etwas Falsches denkt: Wenn ich das tue, was Sie gerade sehen, dann mache ich hier nur meinen Job als Polizistin, die ein Unglück verhindern will. Ich muss das tun, weil unsere Ermittlungen bislang völlig erfolglos sind. Ich will, dass sich das heute ändert. Ist das klar?«
    Ellen hatte zu allen gesprochen, aber unverwandt Stefan angesehen. Es war ihm unangenehm, zumal es ihm offenbar schwerfiel, nicht auf Ellens Brust zu starren, sondern ihrem Blick standzuhalten.
    »Ja, das ist klar«, antwortete er steif.
    »Gut, dann können wir jetzt endlich planen, wie wir mehr aus diesem Tag herausholen als bisher.« Ellen wandte sich wieder der ganzen Gruppe zu und ging nach vorne. Innerlich amüsiert verfolgte sie, wie niemand sie auch nur eine Sekunde aus den Augen ließ. Es war, als hätte sie sich einen Magneten eingebaut, der die Blicke ihrer Kollegen magisch anzog.
    »Bis jetzt haben wir nur reagiert«, sagte Ellen. »Wir haben Forderungen erfüllt und Spuren gesucht. Das Ergebnis ist Ihnen bekannt: Bis auf ein paar magere Indizien haben wir nichts. Und diese Indizien reichen nicht aus, den Täter auch nur einigermaßen einzugrenzen. Selbst, dass er männlich ist, vermuten wir nur aufgrund von Wahrscheinlichkeiten. Wie er es schafft, jegliche Spuren zu vermeiden, ist bisher ein Rätsel. Der Erpresser geht äußerst intelligent vor. Dadurch nützen uns unsere ganzen Ressourcen nichts.« Ellen ging langsam hin und her. Die Blicke ihrer Kollegen folgten ihr aufmerksam.
    »Berlin hat siebzehntausend Polizisten, darunter Wissenschaftler aller Fachrichtungen, Spezialisten, denen Berge an Technik zur Verfügung stehen – und alle können nichts tun, wenn sie nicht von uns Hinweise bekommen, die sie verfolgen und auswerten können. Diese Hinweise zu beschaffen, ist unser vordringlichster Job. Dann erst kann die ganze Ermittlungs- und Fahndungsmaschinerie anlaufen. Freiwillig wird der Täter keine Spuren hinterlassen. Also müssen wir ihn dazu zwingen. Wir müssen ihn unter Stress setzen und ihn dazu bringen, Fehler zu machen. Wir wissen, dass der Erpresser großen Wert auf die Kommunikation mit uns legt. Das scheint ihm wichtiger zu sein als irgendeine Forderung, denn er hat noch keine gestellt. Wir haben ihm heute bewiesen, dass wir das in unseren Kräften Stehende tun, um die Kommunikation aufrechtzuerhalten. Es läuft alles nach seinen Wünschen, was ihn in Sicherheit wiegen sollte. Hier ist also mein Plan: Wenn er im Lauf des Tages die Kommunikation mit uns aufnimmt, um sein perfides Spiel fortzusetzen,

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