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Zehntausend Augen

Zehntausend Augen

Titel: Zehntausend Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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möglich sein.«
    »Technisch, technisch. Berlin ist eine Millionenstadt. Berlin ist Hauptstadt. Wir können der Bundesregierung doch nicht die Telefone kappen.«
    »Haben Sie eine bessere Idee?«, fragte Ellen.
    Hatte Kronen nicht, aber einen weiteren Einwand. »Wie wollen Sie in der kurzen Zeit die Menschen vorwarnen?«
    »Das können wir nicht«, antwortete Khalid. »Und das dürfen wir auch nicht, denn dann wäre der Erpresser genauso vorgewarnt.«
    Kronen winkte ab. »Das gibt eine Panik. Das ist das Letzte, was wir brauchen können.«
    »Glaube ich nicht«, sagte Ellen. »Es passiert öfter, dass man in ein Funkloch gerät oder dass an Silvester die Netze überlastet sind. Das bringt keinen um – aber eine Bombe schon.« Sie wandte sich direkt an Kronen. »Was sagen Sie, Herr Polizeipräsident, sollen wir die Handynetze abschalten?«
    Kronen presste die Lippen zusammen. Ihm behagte diese Frage offensichtlich nicht. Wahrscheinlich stellte er sich halb Berlin in Panik vor und wie ihn dann von der Presse bis zur Bundesregierung alle verantwortlich machten.
    »Warum fragen Sie mich das?«
    »Sie sind der Ranghöchste«, sagte Ellen. Sie wusste, dass sie Kronen am Haken hatte – und hatte keine Lust, ihn ungeschoren davonkommen zu lassen. »Eine Entscheidung von solcher Tragweite steht nur Ihnen zu.«
    Ellen sah, wie es in Kronen arbeitete, wie er nach einem Ausweg suchte.
    »Sie sollten das jetzt entscheiden und alles Weitere veranlassen. Ich muss mich frisch machen, ich habe nämlich in zwei Stunden ein Date mit einem Mann, den ich nicht warten lassen darf.«

37
     
    Als Ellen wieder in die Zentrale zurückkam, sah sie als Erstes Kronen, der schweißgebadet telefonierte. Er sprach aufgeregt und hektisch. So viel Stress hatte er schon lange nicht mehr gehabt. Geschah ihm ganz recht. Ellen wartete, bis er das Gespräch beendete.
    »Ich melde mich wieder zurück, Herr Polizeipräsident. Haben Sie Anweisungen für das weitere Vorgehen?«
    Kronen drehte sich abrupt um und warf Ellen einen finsteren Blick zu.
    Ganz offensichtlich hatte er Ellen anfahren wollen, doch sein Mund ging nur auf und blieb dann so. Ellen tat, als wäre es vollkommen normal, mit BH und Slip in der Zentrale herumzulaufen. Sie hatte sich wieder für die offensive Variante entschieden. Sie wurde in etwas hineingedrängt, was sie so nicht wollte – aber sie hatte nicht vor, dadurch zur Marionette eines Erpressers oder eines Polizeipräsidenten zu werden. Außer Slip und BH trug sie nur noch ihre Ohrringe.
    »Ist was?«, fragte sie.
    Kronens Blick wanderte abrupt von Ellens Brust zu Ellens Augen. Sein Gesicht nahm genauso abrupt einen leichten Rotton an. Er räusperte sich.
    »Ihr Auftreten ist gewöhnungsbedürftig«, brummte er. »Ging es nicht etwas dezenter?«
    »Ich laufe nicht zum Vergnügen so herum. Das sollten Sie wissen. Und von zu Hause hat die Kollegin mir nur diese Wäsche gebracht.«
    Wahrscheinlich hatte die Kollegin nicht lange überlegt und einfach in Ellens Wäscheschublade gegriffen, in der im Moment nur Annikas Auswahl lag. Deshalb trug Ellen jetzt rosa Seide.
    Ellen hatte sich entschieden, die Tatsachen so zu akzeptieren, wie sie waren, und beschlossen, selbstbewusst aufzutreten. Wenn sie sich schon im Vorfeld einschüchtern ließ, hatte sie gegen den Erpresser überhaupt keine Chance.
    »Dürfte ich jetzt bitte den Stand der Dinge erfahren. Wir haben nur noch wenige Minuten Zeit, bis der Erpresser sich meldet. Wenn ich verhandeln soll, will ich vorher alles wissen.«
    Kronen mühte sich sichtlich, Ellen nur in die Augen zu sehen, doch sein Blick folgte immer wieder der Schwerkraft. Die Durchführung ihres Plans war nicht einfach gewesen, da man alle Netzbetreiber kontaktieren und jedes Mal bis zum richtigen Ansprechpartner vordringen musste. Dem musste man alles umständlich erklären, um ihn schließlich doch mit mehr oder weniger angedeuteter Gewalt zu zwingen, auf Kommando die Netze abzuschalten. Dabei hatten die Kollegen nicht vermeiden können, dass bei den Netzbetreibern mehr Mitarbeiter als beabsichtigt in die Aktion eingeweiht wurden. Von Geheimhaltung konnte man kaum noch ausgehen. Ein weiteres Problem war die Synchronisation. Sie konnten schließlich nicht alle Betreiber nacheinander anrufen. Auf ein Stichwort hin mussten alle gleichzeitig handeln. Kronen hatte entschieden, die Telefonverbindungen parallel aufrechtzuerhalten, damit keine Zeit mit Wählen oder belegten Leitungen verloren ging. In den umliegenden

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