Zehntausend Fallen (German Edition)
gesunde, starke Pflanzen. Er wollte mithelfen, die Schwächen auszumerzen. Da, wo die Natur es noch nicht geschafft hatte, wollte er sie verbessern. Das war der Traum seines Lebens, deshalb hatte er erst Biologie studiert und dann Gentechnologie. Hier lagen die Schlüssel für alles, was wuchs. Es war ihm leicht gefallen. Wo andere suchen mussten und rätselten, war es, als würden ihm die Pflanzen alles verraten. Sie eröffneten ihm ihre Geheimnisse, und er verstand sie.
Er wurde zu einem gefragten Experten, konnte sich vor Angeboten kaum retten. Er hatte das Angebot von Saatogo nicht wegen des Geldes angenommen. Ihn lockten die Versprechen, die Welt besser zu machen, die Pflanzen resistenter und ertragreicher, damit mehr Menschen satt würden. Er hatte ihnen geglaubt, er, der Junge aus dem abgeschiedenen Dorf. Er wusste wenig von Aktionärsinteressen und Quartalszahlen. Das waren die Themen der anderen. Dachte er.
»Die Bohnen sind noch nicht reif«, sagte Babette, aber das wusste Pasano.
»Ich wollte nur wissen, wie sie sich anfühlen, wo du sie so gut versorgst.«
Babette lachte. »Du solltest sie erst mal in deinem Mund fühlen, wenn ich sie gedünstet habe. Das ist ein Traum, sag ich dir. Aber da musst du noch ein paar Wochen warten.«
Pasano tastete wieder nach seiner Kapsel. Er würde Babettes Bohnen nie schmecken. Das war ein Verlust, aber jetzt wurde es Zeit.
Mit einer alten Tasse schöpfte Pasano etwas Wasser und ging zurück zum Bahndamm. Er nahm die Kapsel aus der Tasche und hielt sie gegen die Sonne. Vor seinem inneren Auge zogen die Logos von Saatogo und Progentus vorbei. Er sah die Gesichter seiner Vorgesetzten und der Vorstände.
Ihr habt meine Träume zerstört, ihr habt mich zerstört. Und jetzt zerstöre ich euch.
Pasano nahm die Kapsel in den Mund. Sie schmeckte nach nichts.
Es gab nur einen Menschen, von dem er sich verabschieden wollte, seine Mutter, die ihn bei jedem Besuch ansah wie einen Fremden. Sie lebte in einem Pflegeheim in der Nähe. So viel Zeit würde die Kapsel ihm lassen. Er setzte die Tasse an und trank.
Pasano spürte, wie die Kapsel seine Speiseröhre entlangglitt. Dann verschwand sie aus seinen Empfindungen. Es war vollbracht. Es war ein gutes Gefühl.
34
Der Porsche sah phantastisch aus, ein bisschen wild, schnell und vor allem teuer. Die Entscheidung würde ihm schwerfallen. Oder sollte er beide nehmen? Den Porsche und den R8? Hasels sah lächelnd zu dem Audi-Prospekt, das auf dem Couchtisch lag. Für die Zeit seines Aufenthalts in Berlin hatte er sich ein üppiges Hotelzimmer mit Schreibtisch und Sitzecke gegönnt. Kosten spielten für Saatogo in diesem Fall keine Rolle.
Und für mich auch nicht!
Hasels hatte Optionen auf Agrarrohstoffe gekauft, so viel er sich leisten konnte und so viel seine Kreditlinie hergab. Er hatte als einer der Ersten gewusst, dass die Preise steigen würden – und sie stiegen. Schneller und höher, als er geahnt hatte. Als die Big Player realisierten, dass bei Agrarrohstoffen ihr Geld die meiste Rendite abwerfen würde, waren alle auf diesen Zug aufgesprungen. Auf die Preise wirkte sich das aus wie ein Turbolader. Und seine Optionen, die mit einem kräftigen Hebel reagierten, stiegen noch um ein Vielfaches schneller. Mehrmals täglich rief Hasels die aktuellen Kurse seines Depots ab. Mehrmals täglich registrierte er, dass er wieder reicher geworden war.
Der Laptop gab einen Alarmton von sich. Hasels warf den Porsche auf den Audi und hechtete mit einem Satz zum Schreibtisch. Die Meldung kam von den Rechnern aus seinem Büro bei Brüssel, mit denen er über eine vpn -Verbindung ununterbrochen verbunden war. Es war keine der üblichen Meldungen über den Selbstmord eines Bauern. Darum kümmerte sich sein Stellvertreter. Hasels konzentrierte sich auf die Probleme mit der höchsten Priorität. Davon gab es zwei, und beide betrafen Berlin. Ein seltsamer Zufall, aber so spielte das Leben manchmal. Eine Software, die auf bestimmte Stichworte reagierte, mit denen bei Google gesucht wurde, hatte den Alarm ausgelöst. Jemand suchte nach »Romano Pasano«.
»Fuck!«
Hasels ahnte, wer hinter der Suche stand, aber trotz seiner immensen technischen Möglichkeiten konnte er den anfragenden Rechner nicht lokalisieren. Das erhärtete seinen Verdacht. Hier recherchierte kein normaler Internetteilnehmer, hier recherchierten Ellen Faber und ihr mysteriöser Partner, dessen Identität ihm immer noch unbekannt war. So was hatte Hasels noch nie erlebt.
Weitere Kostenlose Bücher