Zeit der Eisblueten
Dafydd spürte, wie seine Gliedmaßen versagten, während sich die Möglichkeiten in seinem Kopf drehten wie auf einer rasenden, nicht zu bremsenden Roulette-Scheibe.
»Was machst du da?«
Der plötzliche Klang ihrer scharfen Stimme in dem dunklen, leeren Raum ließ ihn zusammenfahren. Dafydd drehte sich um und sah Sheila mit schnellen Schritten auf ihn zukommen. Er reagierte sofort, indem er den Arm ausstreckte und den Stecker aus der Dose zog. Der Computer pingte, und der Schirm wurde schwarz.
»Du hast kein Recht, dich an den Krankenhausunterlagen zu schaffen zu machen. Wie bist du reingekommen?«
»Ich arbeite hier. Wenn ich mir Patientenakten ansehen muss, dann werde ich das auch tun.«
»Du hast das Recht, dir die schriftlichen Unterlagen anzusehen. Für deine Zwecke genügt das. Ich weiß mit Sicherheit, dass du kein Passwort für den Computer hast. Sie werden an solche Leute wie dich nicht vergeben. Ich werde Hogg Bericht erstatten.«
»Nur zu«, sagte Dafydd kalt. »Warum führen wir drei nicht einmal eine lange Aussprache. Ich arrangiere das. Ich glaube, es gibt eine ganze Menge Dinge, über die Bericht erstattet werden muss.«
»Tatsächlich?« Sheilas Miene änderte sich leicht, doch ihre aggressive Haltung blieb bestehen. »Was zum Beispiel?«
Dafydd antwortete weder, noch stand er vom Stuhl auf. Sie trat näher an ihn heran und stieß mit dem Zeigefinger nach seinem Gesicht. »Wenn du glaubst, dass Hogg auf irgendetwas hört, was du über mich zu sagen beliebst, dann irrst du dich gewaltig.« Ihre Augen loderten wütend, aber gleichzeitig drückte ihre Miene Besorgnis aus.
Dafydd dachte an Ian, und ein plötzlicher Zorn durchfuhr ihn. Allmählich erreichte er einen Punkt, an dem es ihm gleichgültig war, ob er Ian bloßstellte. Es wurde Zeit, dass jemand etwas unternahm, um Ians Selbstzerstörung ein Ende zu setzen, bei der Sheila ihn unterstützte.
Er betrachtete ihren Finger, mit dem sie noch immer nach ihm stach. »Hör auf, mit deinem Finger vor meinem Gesicht herumzufuchteln«, fuhr er sie an und schob ihre Hand mit einiger Kraft beiseite. »Hat deine Verdorbenheit keine Grenzen? Und so was wie du trägt die Verantwortung für zwei wehrlose Kinder. Sie sollten geschützt werden vor …«
»Pass bloß auf«, zischte Sheila. »Wenn du noch irgendetwas mit deinen Kindern zu tun haben willst, dann überleg dir gut, wie du dich verhältst. Es ist überhaupt nichts Verdorbenes dabei, wenn ich dich ordentlich zur Kasse bitte. Es ist genau das, was Männer wie du verdienen. Du denkst, dass du dein stinkendes kleines Glied überall reinstecken kannst und die Folgen nicht zu tragen brauchst …«
»Das habe ich nicht gemeint«, schnitt ihr Dafydd ungehalten das Wort ab. »Ich spreche davon, was du Ian antust.«
Sheila blickte ihn sprachlos an, aber sie fing sich rasch wieder. »Mir ist scheißegal, was oder wen du meinst. Nichts davon geht dich auch nur das Geringste an. Du hältst dich aus meinem Leben heraus, oder du bekommst die Kinder nie wieder zu Gesicht. Ich werde die ganze Geschichte publik machen, und ich kann beweisen, was du mit mir angestellt hast. Auch den Kindern werde ich’s erzählen … mit allen entsetzlichen Einzelheiten.«
»Wirklich? Das würdest du deinen eigenen Kindern tatsächlich zumuten?«
»Ja, und ich habe Beweise. Verlass dich drauf, es würde dir nicht gefallen.« Jetzt lächelte sie, weil sie glaubte, wieder die Oberhand gewonnen zu haben. Sie verschränkte die Arme unter den Brüsten und schaute auf ihn hinab. Sheila suchte ständig nach Schwachpunkten, und jetzt dachte sie, dass sie die Kinder als Waffe einsetzen konnte. Aber sie würde es nicht so einfach haben, diesmal nicht, dafür würde er sorgen.
»Ich glaube dir nicht. Du redest nur Unsinn.« Dafydd stieß den Stuhl zurück, sodass er umfiel. »Aber meinetwegen. Du tust, was du tun musst, und ich werde genauso vorgehen.«
Bevor sie antworten konnte, wandte er sich schroff ab und verließ den Raum.
Um 8.55 Uhr morgens stand Dafydd wartend vor dem kleinen Büro von »Rent a Ride« in einer Seitenstraße am Stadtrand. Er brauchte unbedingt ein Auto, und in Moose Creek wurde sein Fahrverbot durch die Notwendigkeit außer Kraft gesetzt. Er lächelte bei der Erinnerung an ein Gespräch, das er vor langer Zeit geführt hatte. Wer war es denn nur, der ihm prophezeit hatte, er werde sich nie zu Fuß auf den Straßen dieser Stadt fortbewegen, weil es entweder zu heiß und zu staubig oder zu kalt und zu
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