Zeit der Finsternis
Herrscher nichts als Hass empfand, so war dieser doch auch der Grund, dass er überhaupt noch am Leben war. Ohne Damian wäre Max im Winter 1715 nämlich grausam zu Tode gekommen.
Melissa wandte sich zu mir um und schenkte mir einen Blick, der meinem Herz einen Stich versetzte. In ihren Augen konnte ich all den Schmerz erkennen, den man Tamara bereits zugefügt hatte.
"Hallo Julian", flüsterte sie und trat auf mich zu, "Du musst wissen, dass ich keine andere Wahl hatte - es tut mir wirklich schrecklich leid. Aber ich bin hier, um alles wieder gut zu machen." Sie senkte den Blick.
Ich kämpfte innerlich kurz mit mir, biss dann jedoch die Zähne zusammen und hob mit meinen Fingern ihr Gesicht an. "Ich gebe dir keine Schuld." Meine Stimme war nur ein raues Flüstern, doch Melissa sah mich dankbar an, während ihr ein scheues Lächeln über das Gesicht huschte.
Andrew scharrte inzwischen ungeduldig mit den Füßen. "Können wir jetzt bitte endlich anfangen? Schließlich warten wir hier schon eine Weile!" Ich konnte verstehen, dass er langsam ungeduldig wurde, denn mit jedem weiteren Tag der verstrich, würde sich die Lage verschärfen. Damian war nun drauf und dran, die Ersten seiner Gefolgschaft zu verwandeln und das hieß für uns nichts Gutes. Wenn man Melissas Erzählungen glauben schenken durfte, waren uns diese
neuen
Vampire in vielem überlegen.
"Natürlich Andrew", erwiderte Melissa mit ruhigem Tonfall und versammelte uns um sich herum. Sie sah jedem einzeln kurz ins Gesicht, ehe sie zu sprechen begann. "Bevor ich euch einweihe...muss ich mir sicher sein, dass wir alle am selben Strang ziehen.", verkündete sie ernst. "Wir haben nur diese eine Chance und sollte es nicht klappen, den Bann zu brechen, sind wir alle dem Tod geweiht." Sie sprach damit aus, was uns erwartete, sollten wir versagen. Max und ich sahen uns kurz an und nickten fast unmerklich. Andrew sog scharf Luft ein, rang sich aber auch ein Nicken ab und Benjamin murmelte nur: "Alles klar".
"Gut, dann hätten wir das geklärt.", stellte Melissa fest und ihre Miene entspannte sich etwas. Während der Himmel von immer dichteren Wolken nun völlig verdunkelt wurde, erklärte sie uns, wie wir vorzugehen hatten, damit ihr Plan auch funktionieren würde.
***
Die Rückfahrt nach New York traten wir nur zu dritt an. Andrew brauchte anscheinend eine Auszeit, denn unser Angebot, gemeinsam noch zu jagen bevor wir uns auf den Rückweg machten, schlug er aus. So ließen wir ihn dort zurück, wo wir Melissa getroffen hatten. Sie war sofort wieder zu Damian zurückgeeilt, ehe er ihr Verschwinden bemerken würde.
Mit Benjamin auf dem Rücksitz fuhr Max auf die Interstate 78 West, Richtung New Jersey. Ich starrte aus dem Fenster, während die nächtliche Winterlandschaft an mir vorbeiflog.
"Julian?" Als ich meinen Namen hörte, schreckte ich aus meinen Gedanken hoch und sah zu Max. "Alles klar?" Er warf mir einen fragenden Blick zu, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße richtete.
"Ja, es ist nur...ach nichts.", erwiderte ich und sah auf meine Hände.
"Ich mache mir Sorgen um Andrew.", meldete sich Benjamin plötzlich von hinten zu Wort und ich war erleichtert, dass Max mich nun nicht weiter löchern würde.
"Irgendetwas beschäftigt ihn." Ich nickte zustimmend und drehte mich zur Rückbank um.
"Er hat Angst, das spüre ich. Ich hoffe nur, dass wir weiterhin auf ihn zählen können." Benjamin seufzte. Wir hatten alle Angst und das zu Recht. Selbst wenn wir den Bann brechen konnten, war nicht garantiert, dass wir das alle überleben würden. Denn dafür mussten wir Damians Festung stürmen und das war kampflos nicht möglich.
"Er muss wahrscheinlich einfach nur seine Gedanken ordnen. Ich bin mir sicher, dass er viel klarer sehen wird, wenn er nachher zurückkommt.", war sich Max sicher.
"Hoffentlich hast du recht.", murmelte Benjamin, tippte eine SMS an Ava und blickte dann stumm in die Dunkelheit.
Kapitel 7: Tamara - Bekenntnisse
Fast lautlos raste ich durch die tiefschwarze Nacht. Die Witterung meiner Beute hatte ich längst aufgenommen. Ich roch eine Mischung aus Angst und Adrenalin, die aus jeder Körperpore meines Opfers strömte.
Es war eine Hetzjagd, um die Sache interessanter zu machen. Ein Spiel - bei dem der Gewinner schon feststand, bevor es überhaupt begonnen hatte.
Ich blieb kurz stehen, um den köstlichen Duft in mich aufzunehmen, bis er jede einzelne meiner Zellen erreichte.
Mit einem kurzen Knurren setzte ich mich wieder in
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