Zeit der Finsternis
Moment über meine Worte nachdenken, denn sie kaute auf ihrer Unterlippe. "Von mir aus...wenn euch das soo wichtig ist - ihr habt mein Wort!", erklärte sie nach einer Weile."
Ich konnte hören, wie alle anderen erleichtert aufatmeten.
***
Es war schon dunkel, als wir das majestätische, steinerne Tor des
Greenwood Cemetry
passierten. Sofort sprudelten all die verdrängten Erinnerungen an die Oberfläche, wie ich dort nächtelang umhergestreift war, oder einfach nur an meinem Lieblingsplatz verweilte und auf die Lichter der Stadt blickte um mein kaltes Herz mit etwas Wärme zu füllen. Ein leichter Schauer fuhr mir in die Glieder, als wir die unzähligen Grabsteine und kleinen Mausoleen passierten, die den Weg säumten. Ich lief voran, gefolgt von Max, Val, Benjamin, Ava und Olivia.
Caroline und Dorian waren in unserem Apartment geblieben, um ihr Wiedersehen zu genießen und niemand war ihnen deshalb böse. Denn - sollten wir trotz Olivias Hilfe scheitern, war dies wohl einer der letzten Momente, in denen sie sich Nahe sein konnten.
Der schwarze Himmel ließ große, dicke Flocken lautlos auf die Erde schweben und die dünne Schneedecke, die sich in kürzester Zeit gebildet hatte, knirschte leise unter unseren Schuhen.
Max hatte einen Arm um Valentinas Taille gelegt und sie ganz nah an sich herangezogen. Olivia stapfte stumm und mit gebührendem Abstand neben mir. Sie hatte ihren Schal fest um ihren Hals gewickelt und die Hände tief in die Manteltaschen vergraben. Weil Hexen neben ihren Fähigkeiten - die sie unter anderem auch nur sehr langsam altern ließen - aber dennoch eine menschliche Seite hatten, empfanden sie Dinge wie Hitze, Kälte und dergleichen ebenso wie normale Sterbliche.
Als wir eine kleine Anhöhe erreichten, blieb ich stehen und blickte auf die Statue of Liberty, die von unten beleuchtet wurde und sich in der Ferne vom schwarzen Nachthimmel abzeichnete.
Ich drehte mich um und betrachtete eine Reihe von steinernen Engeln, die in verschiedenen Posen auf ihren Podesten standen. Ich trat auf eine der Statuen zu, um ihre Gesichter genauer zu mustern - und tatsächlich, bei manchen hatten sich gefrorene Wassertropfen auf der Oberfläche gebildet, die ihre Gesichter aussehen ließen, als weinten sie.
"Was meinst du, wo könnte es sein?" Max war an mich herangetreten, während die anderen noch gebannt auf die beeindruckende Kulisse der nächtlichen Stadt starrten. Ich zuckte mit den Schultern und sah mich unschlüssig um.
"Ich würde sagen, wir suchen zuerst die Engel ab. Nach einem hohlen Stein oder ähnlichem.", erwiderte ich und begann, die erste steinerne Figur abzutasten.
Auch Val, Benjamin und Ava hatten sich mittlerweile zu uns gesellt und taten es Max und mir gleich. Olivia stand etwas verloren neben mir und sah mir aber dennoch prüfend über die Schulter.
"Vielleicht könntest du in dem Mausoleum nachsehen?", bat ich sie und deutete zwei Meter weiter, auf die gemauerte Grabstätte, um ihr eine Aufgabe zuzuteilen.
"Okay", hauchte sie dankbar und verschwand sofort durch den steinernen Eingang.
Valentina und Ava kamen auf mich zu und schüttelten den Kopf, als ich sie fragend ansah. "Nichts", erklärte Val nur.
Auch Max und Benjamin zuckten mit den Schultern und traten unverrichteter Dinge zu uns.
Plötzlich fixierte Valentina etwas mit ihrem Blick, das sich hinter mir befand. Ich wandte mich um und sah einen Engel, der in Rüstung gekleidet auf uns alle herabsah. Seine linke Hand war, wie zum Gruß, in Richtung der Freiheitsstatue erhoben.
Wir tauschten einen kurzen Blick, dann war klar, wo wir suchen mussten.
Im nächsten Moment standen wir um den geflügelten Soldaten und wischten mit unseren Händen den pulvrigen Schnee von dessen Podest.
Unter der weißen Schicht kamen Buchstaben zum Vorschein. Schnell entfernte ich den letzten Schnee, trat etwas zurück und las den Satz, den man in den Stein gemeißelt hatte, laut vor:
"Dona nobis pacem"
.
"
Bring uns Frieden
", ertönte Olivias Stimme aus dem Hintergrund, als sie zu uns trat und andächtig auf den Sockel blickte. "Das ist es", flüsterte sie.
Sie drückte sich zwischen Max und mir vorbei und niemand hielt sie auf. Es handelte sich schließlich das Vermächtnis ihrer Mutter, deswegen sahen wir dabei zu, wie sie in die Knie ging und mit den Händen über die Vertiefungen der Schrift fuhr.
Gebannt hielten wir den Atem an, als die einzelnen Buchstaben kurz aufleuchteten, ehe mit einem Knarren eine Art steinerne Schublade aus dem Sockel
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