Zeit der Heimkehr
uns ein Boot und 'auen von 'ier ab, und morgen früh sind wir schon auf offener See. Das Schlimmste, was dir danach noch passieren kann, is vielleicht 'n Alptraum oder zwei.«
»Logisch gesehen hast du recht, Mudge. Aber emotional liegst du völlig daneben.«
Das fand der Otter amüsant. »Und du weißt natürlich wieder 'ne Lösung, wa?«
»Wie war's denn hiermit? Angenommen wir überqueren den Fluß und befreien ihn, während die Dörfler damit beschäftigt sind, ihr Fest vorzubereiten?«
»Angenommen, wir fesseln und knebeln dich und werfen dich ins Boot und lassen dich erst wieder frei, wenn du wieder bei klarem Verstand bist?«
»Ich werde ihn jedenfalls befreien. Kommt einer von euch mit?«
Die Otter tauschten Blicke aus. Weegee senkte den Kopf und sagte nichts. Enttäuscht sah Jon-Tom das andere Mitglied ihrer kleinen Gruppe an.
»Was ist mit dir, Vorsicht?«
»Ich heiße bloß so. Ich komme mit dir, Mensch.« Er schaute wieder zu dem Dorf und dem Korral hinüber. »Das ist einfach nicht recht, soviel ist sicher.«
»Ihr seid ja beide verrückt geworden. Jon-Tom, diesmal verlangste zuviel, verlangste.«
Jon-Tom redete auf seinen Freund ein. »Es wird nicht gefährlich werden. Vorsicht und ich werden uns anschleichen, wenn niemand hinsieht, und einige Stricke durchhauen, mit denen die Pfähle des Korrals befestigt sind. Dann holen wir ihn raus. Inzwischen kannst du mit Weegee ein Boot stehlen. Wir treffen euch an der Stelle, wo der Strom in die Lagune mündet. Vorsicht und ich und vielleicht auch der Hengst werden zurück schwimmen, um uns euch anzuschließen. Wir werden schon alle auf See sein, bevor hier überhaupt jemand bemerkt, daß ihr Hauptgericht sich in unbekannte Gefilde aufgemacht hat.«
»Is ja prächtig, Kumpel. Schreib das mal auf. Dann fertigen wir Kopien an und verteilen sie an die Kannibalen dort, nur damit sie auch ganz genau wissen, wie sie ihre verdammte Rolle zu spielen 'aben.«
Sie warteten, bis die Sonne hinter den Palmen versank. Mudge sah zu, wie Jon-Tom und Vorsicht sich anschickten, den Strom zu überqueren.
»Paß bloß auf, daß du rechtzeitig flußabwärts bist, Kumpel. Denn ich werde dort nich rum'ängen und auf euch warten. Diesmal nich, 'aste mich verstanden?«
Doch Jon-Toms Ohren waren voller Wasser, und er hörte nicht. Vielleicht hörte er aber doch, zog es jedoch vor, nichts zu erwidern.
»Verdammte Idioten, 'ab versucht, sie zu warnen.«
Weegee legte ihm eine Pfote auf die Schulter. »Die schaffen es schon. Keine Sorge.«
»Sorge? Warum, zum Teufel, soll ich mich um die sorgen? Die 'aben jede Menge Zeit. Wir 'aben jede Menge Zeit.« Er drehte sich zu ihr, um sie zu umarmen, doch sie stieß ihn fort.
»Nicht genug, um uns ablenken zu lassen. Los, holen wir das Boot.« Sie trabte zum Wasser hinunter. Grollend folgte ihr Mudge.
Eine einzelne Trommel schlug einen monotonen Rhythmus, der sich tief in Jon-Toms Bewußtsein eingrub. Er wußte, daß er sie noch Tage danach in seinen Träumen hören würde - vorausgesetzt, daß diese improvisierte Rettungsaktion erfolgreich verlief. Vorsicht in Führung, bahnten sie sich ihren Weg durch das Schilf, vom Schwimmen im Strom triefend naß. Es war ein warmer Abend, und Jon-Tom fühlte sich eher erfrischt als ausgekühlt. Mehr denn je wußte er, daß sie das Rechte taten.
Hinter einer Hütte kauerten sie sich nieder. »Kannst du etwas erkennen?«
»Die meisten Leute sind drüben und bereiten das große Feuer vor«, flüsterte der Waschbär. »Hier vorne kann ich nichts und niemanden sehen. Schnell jetzt!«
Sie rannten über eine kleine, offene Stelle und standen auch schon neben dem Korral. Der Hengst erblickte sie, warf einen ängstlichen Blick zurück über die Schulter und trabte auf sie zu. Seine Stimme klang tief und resonant.
»Wer seid ihr, woher kommt ihr?«
»Freunde.« Jon-Tom versuchte, an dem Pferd vorbeizuspähen. »Wie bist du in diese Lage geraten?« Vorsicht bearbeitete bereits mit einem Messer die dicken Taue, die die Korralpfähle zusammenhielten.
»Ich war auf der Reise, um Freunde zu besuchen. Eines Nachts gab es einen entsetzlichen Sturm, und das kleine Schiff, auf dem ich fuhr, ging unter. Ich fürchte, die meisten meiner Schiffsgefährten waren keine besonders kräftigen Schwimmer. Es gab hohe Wogen und dann auch noch Felsen. Ich wurde allein an Land gespült und kam hierher, auf der Suche nach Hilfe. Statt dessen begegnete ich diesen entsetzlichen Leuten.«
Vorsicht hatte einen der Pfähle
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