Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman

Titel: Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Todd Ursula Gnade
Vom Netzwerk:
wurden.
    Rutledge machte einen Rückzieher. »Da haben Sie sicher recht.« Trotzdem nahm er sich vor, Mrs. Ellison danach zu fragen.
    »Ich weiß nicht, wie sich das auf alles andere auswirkt. Aber es scheint mit der Vorstellung aufzuräumen, dass Emma gesund und munter ist und bei ihrer Mutter in London lebt, nicht wahr?« Cain bereitete sich darauf vor, mit seinem schlimmen Bein aufzustehen. »Ich würde mir ungern vorstellen, dass mein Constable etwas mit ihrem Verschwinden zu tun hatte.«
    »Was ist aus Ihrem Sergeant und aus dem Wagen geworden?«
    »Er ist zum Pfarrer gefahren, um mit ihm zu reden. Mir gefällt nicht, was ich über diesen Sturz gehört habe. Mein Sergeant sagt, Towson ist vom Rheumatismus verkrüppelt und sollte sich nicht auf dem Dachboden herumtreiben und im Keller auch nicht, wenn wir schon dabei sind. Mrs. Melford hat mir eine Tasse Tee gebracht. Von ihr habe ich die Neuigkeit erfahren.«
    »Er hat Glück gehabt«, sagte Rutledge und wiederholte damit die Worte, die er bereits an Dr. Middleton gerichtet hatte. »Die Frage ist jetzt, ob dieser Sturz ein Unfall war oder nicht.«
    »Gütiger Himmel!«, sagte Cain und starrte ihn an. »Sie wollen mir doch nicht etwa erzählen, dass uns eine Flut von unerklärlichen Angriffen auf Leute bevorsteht?«
    »Wohl kaum eine Flut. Aber trotzdem. Es wird sich erst mit
der Zeit herausstellen. Ich könnte allerdings hinzufügen, dass man vom Dachboden der Pfarrei einen Ausblick auf Frith’s Wood hat. Es ist einer der wenigen Orte mit Blick auf das Wäldchen, wenn man nicht gleich den Kirchturm hochklettern will.«
    »Man kann den Turm tatsächlich besteigen«, teilte Cain ihm mit. »Es gibt eine wacklige Treppe, die zur Glocke hinaufführt, über das Zifferblatt der Uhr. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was man von dort aus sehen kann, aber ich würde mal vermuten, einen besseren Aussichtspunkt gibt es nicht.«
    »Woher wissen Sie das?« Die Anspielung auf Cains Kriegsverletzung stand unausgesprochen zwischen ihnen.
    Cain grinste unbefangen. »Zwei Jungen sind aus reinem Jux hinaufgeklettert, als 1918 der Waffenstillstand ausgerufen wurde. Sie haben die Glocken geläutet und halb Dudlington glaubte, wir würden von Deutschen angegriffen, wenn nicht gar noch Schlimmeres. Mein Sergeant hat es mir erzählt. Hensley hat ihn herzitiert, damit er ihnen die Leviten liest.«
    Rutledge lachte. Aber er nahm sich auch vor, diese Treppe persönlich in Augenschein zu nehmen.
    Als Cain gegangen war, holte Rutledge seine Taschenlampe und Hensleys Feldstecher und machte sich zu Fuß auf den Weg zur Kirche. Die Tür von St. Luke’s war unverschlossen. Ein schwerer, gedrehter Eisenring, der an die Türklopfer des Mittelalters erinnerte, war neuer als die Kirche. Es entstand der Eindruck, er sei nachträglich angebracht worden, um das Gebäude älter wirken zu lassen. Damals hatte man sich vor einer Festnahme schützen können, indem man sich an einen solchen Ring klammerte.
    Er blieb einen Moment lang stehen und blickte zu dem hohen Kirchturm auf. Es gab etliche quadratische Elemente, die das robuste Fundament des Turmes bildeten. Ihre Größe verringerte sich nach oben hin mit jeder Ebene, je näher sie der Glockenstube kamen. Die Turmspitze, die sich von dort aus in
einem anmutigen Kegel erhob, hatte winzige gegenüberliegende Fenster, zwei nach Norden und Süden und darüber zwei nach Osten und Westen.
    Hamish sagte: »Ich hätte keine Lust, so hoch hinaufzuklettern.«
    »Dann bleib eben hier.«
    Die Tür zum Turm führte zu einer weiteren Tür aus massivem dunklem Holz mit Schnitzereien, und dahinter lag die Sakristei. Das Mittelschiff hatte eine hohe Decke, die jedoch nicht gewölbt war. Jemand hatte dort Trompe-l’Oeils im Stil der Renaissance gemalt, drei an der Zahl, Ovale, auf denen Engel und Heilige dargestellt waren, die auf Wolken schwebten. Und auf dem mittleren Gemälde thronte Christus in himmlischer Herrlichkeit und hatte eine Hand hoch in den gemalten Himmel erhoben. Die Säulen des Mittelschiffs waren dorisch mit verzierten Kapitellen und schienen diese täuschende Weite, die sich über ihnen erstreckte, mühelos zu tragen.
    Die Kanzel war groß und wuchtig und mit üppigen Schnitzereien verziert. Rutledge glaubte, sie könnte aus einem früheren Gebäude stammen, das abgerissen und durch ein neueres ersetzt worden war.
    Es gab hohe Fenster, einige mit schlichtem Buntglas, und ein Messinggeländer um den Abendmahltisch herum. Der Altarraum und der

Weitere Kostenlose Bücher