Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman

Titel: Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Todd Ursula Gnade
Vom Netzwerk:
beteuert, er hätte seine Pflicht nicht vernachlässigt. Daraufhin hat er die Augen geschlossen und sich von mir untersuchen lassen. Ich kann
nicht mit Sicherheit sagen, ob er anschließend noch vollständig bei Bewusstsein war. Ich musste ihn mehr bewegen, als mir lieb war, um das Ausmaß des Schadens festzustellen. Und er hatte ohnehin schon viel zu lange durchgehalten.«
    »Er hat Glück gehabt«, sagte Rutledge in vollem Ernst.
    »Er hätte sich das Genick oder zumindest das Kreuz brechen können. Es ist ein wahres Wunder. Ein zäher alter Knabe, wie ich bereits sagte, und der gibt so schnell nicht auf. Hillary hat mir heute Morgen erzählt, er hätte gebettelt, sie solle ihn aus dem Bett aufstehen lassen, obwohl ich das ausdrücklich verboten hatte. Wenn ihm schwindlig wird, kann er es nicht gebrauchen, ein zweites Mal auf den Kopf zu fallen.«
    Rutledge beließ es für den Moment dabei und sagte: »Letzte Nacht habe ich in Emma Masons Schlafzimmer Licht brennen sehen. Mitten in der Nacht. Heute Morgen bin ich hingegangen, um nachzuschauen, ob mit Mrs. Ellison alles in Ordnung ist. Sie hat mir fast den Kopf abgerissen.«
    »Sie kann nicht schlafen, und es würde mich nicht wundern, wenn sie nachts durch das Haus geistert und grübelt. Sie lässt sich von mir nichts geben, was ihr beim Schlafen hilft. Sie will nicht ständig benebelt sein.«
    »Das kann ich mir vorstellen. Sie hört auch nicht mehr allzu gut und schließt trotzdem ihre Tür nicht ab. Ich habe es selbst überprüft.«
    Middleton lachte in sich hinein. »Seien Sie froh, dass sie Sie nicht dabei ertappt hat. Ob Polizist oder nicht, sie hätte Anklage gegen Sie erhoben, ehe Sie gewusst hätten, wie Ihnen geschieht.«
    »Ich habe mich gestern mit Hensley unterhalten - sein Zustand bessert sich«, fügte er hastig hinzu, als Middleton ihn unterbrechen wollte. »Aber es wird noch eine Woche dauern, bis sie ihn entlassen. Mittlerweile gibt es eine andere Frage, die ich gern zur Sprache brächte.«
    Middleton war plötzlich auf der Hut. »Wie ein Geistlicher
darf auch ein Arzt nicht einfach über seine Patienten reden.«
    »Es geht gar nicht um eine medizinische Frage. Was wissen Sie über Keating, dem das Oaks gehört?«
    »Meines Wissens war er noch nie krank. Darüber hinaus kann ich Ihnen nicht viel sagen.«
    »Er ist ein echter Einzelgänger.«
    »Sie sind nicht der Erste, dem das auffällt. 1911 ist er aus heiterem Himmel hier aufgetaucht, hat man mir berichtet. Er hat das Oaks gekauft und ist für sich geblieben. Die Mütter im Ort haben ihn mit Adleraugen beobachtet - aber es hat sich herausgestellt, dass er keinerlei Interesse an ihren Töchtern hatte. Er wollte sie weder verführen noch heiraten.« Der Arzt lachte wieder in sich hinein. »Er ist nicht von hier, und das hat von Anfang an gegen ihn gesprochen. Dazu kam dann noch sein Widerwille, über sich selbst zu reden. Und schließlich kannte niemand seine Tante oder seinen Vetter dritten Grades oder seinen Urgroßvater. Die Männer, die häufig im Oaks anzutreffen sind, waren so froh, ein Wirtshaus im Ort zu haben, dass sie sich nichts aus dem Klatsch gemacht haben. Und nach einer Weile hat sich das Gerede gelegt. Die Leute haben sich damit abgefunden, dass er nicht normal ist, und niemand nimmt Notiz von ihm.«
    »Offenbar will er es so haben.«
    »Dagegen ist doch nichts einzuwenden, oder? Warum interessieren Sie sich für ihn? Hatte er einen Groll gegen Hensley?«
    »Das ist schon möglich. Er hat Emma Masons guten Namen und ihren guten Ruf grimmig verteidigt.«
    »Und viele Leute möchten glauben, Hensley wüsste mehr über ihr Verschwinden als er bereit ist zu sagen. Ja, ich verstehe, worauf Sie hinauswollen.«
    »Ich wüsste gern, wo Keating Emma so gut kennengelernt hat, dass er sie jetzt verteidigt.«
    »Vielleicht verhält es sich ja umgekehrt - verstehen Sie, es
könnte sein, dass Keating etwas gegen Hensley hat und Emma lediglich vorschiebt, um das zu verbergen.«
    Hamish sagte: »Gut möglich, falls dieser Constable ihn erkannt hat.«
    Es schien fast so, als hätte Middleton die Stimme in Rutledges Kopf gehört, denn jetzt fragte er: »War Hensley nicht Polizist in London, bevor er hierhergekommen ist?«

18.
    Rutledge lief den Hügel von der Holly Street zum Oaks hinauf und fand Keating diesmal in der Bar vor. Er servierte gerade zwei Reisenden ein spätes Frühstück. Rutledge hörte dem Gespräch eine Zeit lang zu. Der Mann und die Frau plauderten mit Keating über ein

Weitere Kostenlose Bücher