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Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman

Titel: Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Todd Ursula Gnade
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wandte sich dem Brief wieder zu, doch er enthielt sonst nichts von Interesse, abgesehen von dem letzten Satz.
     
    Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie dieses Schreiben nach der Lektüre umgehend vernichten würden.

    Nachdem er sich die Einzelheiten eingeprägt hatte, kam Rutledge dieser Aufforderung nach und verbrannte den Brief.
     
    Obwohl sein Fuß weiterhin schmerzte, fuhr Rutledge nach Northampton, um Hensley aufzusuchen. Aber der Mann war fiebrig, sein Gesicht gerötet und sein Körper von Schüttelfrost geplagt.
    Hamish murrte etwas von einer Infektion.
    Als Rutledge einen Stuhl ans Bett zog, sagte Hensley: »Ich bin krank. Diese verfluchte Schwester ist schuld daran, sie vernachlässigt mich.«
    Aber etliche neue Fälle waren eingeliefert worden, und die Krankenschwestern kamen kaum noch mit der Arbeit nach.
    Die Oberschwester hatte Rutledge ermahnt, ihnen bloß nicht im Weg zu sein. In der Mercer Street war die Mauer eines Gebäudes eingestürzt und fünf der eingelieferten Bauarbeiter mussten operiert werden, aber auch zwei Einwohner, die das Pech gehabt hatten, gerade an dieser Mauer vorbeizulaufen. Rutledge hatte ihre Familien gesehen, die im Korridor warteten, besorgte Ehefrauen mit weißen Gesichtern und Kinder mit gro ßen, verängstigten Augen, die sich an ihre Mütter und Tanten klammerten.
    Er sagte: »Constable. Warum hat Bowles Sie nach Dudlington geschickt? Für die Wahl dieses Ortes muss es einen guten Grund gegeben haben.«
    »Hier war gerade ein Mann in den Ruhestand getreten. Markham. Man hat mir seinen Posten zugewiesen. Was spielt das schon für eine Rolle? Mir war es sehr recht, ein Weilchen nicht in London zu sein.«
    »Ein Weilchen?«
    Hensley rutschte unruhig herum und schnitt dann eine Grimasse. »Heute Morgen haben sie ein Geschwür in meinem Rücken aufgestochen. Ich hätte ihnen gleich sagen können, dass ihre Schnitte nicht richtig verheilen. Sie haben mich für einen Nörgler gehalten und mich nicht weiter beachtet.«

    »Warum waren Sie froh, London zu verlassen und in den Norden zu ziehen?«
    »Ich hatte es satt, deutsche Spione zu jagen. In der Hälfte aller Fälle hat nichts weiter als die krankhafte Einbildungskraft der Leute dahintergesteckt. Der Metzger ist mürrisch, er hat einen Akzent, er hat einer Frau verdorbenes Rindfleisch verkauft. Der Kellner sieht nicht wie ein Engländer aus. Der Mann, der im Hotel das Gepäck hereinträgt, wirkt so verschlagen, er schaut den Gästen nicht in die Augen, wenn er angesprochen wird. Wenn man sich das anhören musste, hätte man meinen können, die Hälfte der deutschen Bevölkerung triebe sich in England herum und hätte nichts Besseres zu tun als Ärger zu machen.«
    Dieser Vortrag klang einstudiert. Als hätte Hensley die Geschichte schon so oft erzählt, dass er selbst fast daran glaubte.
    »Dann hatte es also nichts mit Edgerton zu tun.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
    Hensley wandte den Kopf um und sah Rutledge an. »Legen Sie mir bloß keine Worte in den Mund, Sie verfluchter Kerl.«
    »Aber Sie wissen ganz genau, wer Edgerton war. Und wie er gestorben ist. Kannten Sie auch jemanden namens Sandridge?«
    Hensley sagte: »Hören Sie, mir geht es nicht gut, man sollte mir nicht derart zusetzen.« Seine Stimme klang verdrossen. Und er hatte längst aufgehört, »Sir« zu sagen, wenn er mit seinem Vorgesetzten sprach.
    Obwohl ihm auch Hamish vorwarf, dass er den Mann piesackte, bohrte Rutledge hartnäckig weiter. »Erzählen Sie mir etwas über Sandridge.«
    »Eine Frau hat an die Polizei in Dudlington geschrieben, weil sie auf der Suche nach jemandem war, der so hieß. Ich dachte mir, sie suchte vielleicht einen Soldaten, der im Krieg war, jemanden, der ihr etwas versprochen und sein Versprechen nicht gehalten hat. Oder er sei vielleicht gefallen und niemand hätte sie benachrichtigt, da sie im eigentlichen Sinne keine Angehörige
war. Ich habe ihr geraten, es in einem anderen Dorf zu versuchen, das ebenfalls Dudlington heißt, in Rutland.«
    »Ihr Antwortschreiben war nicht in der Akte.«
    »Da hätte es aber sein sollen. Ich habe es persönlich dort abgeheftet.«
    Rutledge war nicht sicher, ob er ihm glauben sollte oder nicht.
    »Und Sie wollen mir erzählen, es sei reiner Zufall, dass der Brandstifter im Falle Barstow ebenfalls Sandridge hieß?«
    »Ich habe nie einen Bezug zwischen dieser Anfrage und London hergestellt. Weshalb hätte ich das auch tun sollen? So selten ist der Name doch gewiss nicht,

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