Zeit der Rache - Zeit der Liebe
Designersachen. Er hatte sich bei ihr entschuldigt und ihr allerhand zum Nachdenken gegeben.
Eigentlich hätte er längst wieder in Sydney oder Lake Tahoe oder wo auch immer er wohnte, sein müssen. Was machte er noch in London?
„Ich wollte mit dir zur Beerdigung fahren.“
„Nein, lieber nicht.“ Saskia wusste, dass sie an diesem Tag nicht die Kraft hatte, mit dem Verlust ihres Vaters und Alex’ Nähe umzugehen. „Du hast fast dein ganzes Leben damit verbracht, meinen Vater zu hassen. Glaubst du etwa, ich würde zulassen, dass du zu seiner Beisetzung kommst?“
Daraufhin straffte Alex sich und sah ihr in die Augen. „Ich habe dir erzählt, warum ich so empfunden habe und dass ich mich geirrt habe.“
„Ja“, bestätigte sie.
„Aber dass ich heute hier bin, hat nichts mit meinen Gefühlen deinem Vater gegenüber zu tun, sondern damit, was ich für dich empfinde.“
Sie war zu müde, um die Bedeutung seiner Worte zu ergründen. Nervös blickte sie die Straße entlang. „Ich habe mir ein Taxi bestellt.“
„Und ich habe es weggeschickt.“
„Du hast was?“ Saskia schüttelte den Kopf und begann, in ihrer Handtasche nach den Schlüsseln zu suchen. „Dann fahre ich doch mit meinem Wagen.“
„Du solltest heute lieber nicht fahren. Hast du jemanden, der dich abholen kann?“
Ihr Blick war Antwort genug. Es gab niemanden. Sie war ganz allein. Und sie hatte nicht die Absicht gehabt, selbst zu fahren.
„Dann bringe ich dich hin“, entschied Alex.
„Du hättest mich vorher fragen sollen, ob du kommen darfst.“
„Hättest du denn Ja gesagt?“
„Nein.“
Zehn Minuten später parkte Alex vor der kleinen Friedhofskapelle und stellte den Motor ab. Saskia machte keine Anstalten, aus dem Wagen zu steigen.
„Wenn es vorbei ist, geht es dir besser.“
Als sie ihn ansah, verriet der Ausdruck in ihren Augen so viel Kummer und Verzweiflung, dass Alex sie am liebsten in die Arme genommen und gehalten hätte. Stattdessen nahm er ihre Hand und drückte sie sanft. „Komm“, sagte er.
Es hatten sich nur wenige Trauergäste eingefunden. Enid Sharpe, die Nachbarin ihres Vaters, die Schwester vom Pflegedienst und einige alte Freunde, mit denen er regelmäßig Bridge gespielt hatte. Während der kurzen Trauerfeier schaffte Saskia es, sich zusammenzureißen. Angespannt betrachtete sie den mit Blumen geschmückten Sarg.
Saskias Vater. Der Mann, den er, Alex, jahrzehntelang gehasst hatte. Und wofür? Um sich an etwas zu rächen, was nie geschehen war. Und was war außer weiteren Problemen aus diesem Hass erwachsen? Marla hatte recht gehabt. Es war höchste Zeit, mit der Vergangenheit abzuschließen.
Als der Sarg hinausgetragen wurde und sie aufstanden, spürte er, wie Saskia die Hand in seine schob, und er blickte in ihre traurigen grünen Augen. „Danke, dass du mich hergebracht hast“, sagte sie.
Anschließend trafen sie sich mit den Trauergästen in einem Café in der Nähe und tranken gemeinsam Kaffee.
Als sie danach in seinen Wagen stiegen, sank Saskia auf den Beifahrersitz und schloss die Augen. „Endlich ist es vorbei“, bemerkte sie und seufzte.
Sie wirkte sehr erschöpft und schmaler als sonst. Wahrscheinlich hatte sie schon seit Tagen nicht mehr richtig gegessen. Als Alex vor ihrer Wohnung hielt, war sie fast eingeschlafen. Kurzerhand hob er sie hoch und trug sie hinein, obwohl sie protestierte.
„Soll ich dir Wasser in die Wanne lassen?“, fragte er.
Saskia schüttelte den Kopf. „Nein, ich möchte nur noch ins Bett“, erwiderte sie schläfrig, die Arme um seinen Nacken und den Kopf an seiner Brust.
Also brachte er sie ins Schlafzimmer. Nachdem er die Decke zurückgeschlagen hatte, legte er sie vorsichtig aufs Bett. Dann zog er ihr die Schuhe und das Kostüm aus und stellte entsetzt fest, wie mager sie geworden war. Da sie fröstelte, deckte er sie schnell zu.
„Mir ist so kalt“, flüsterte sie, am ganzen Körper zitternd.
So konnte er sie nicht allein lassen. Schnell entledigte er sich seines Anzugs und seiner Schuhe und schlüpfte auch ins Bett. Als er sie an sich zog, schmiegte sie sich an ihn, den Kopf eng an seine Schulter gelegt. Bald spürte er, wie das Beben nachließ und sie gleichmäßig atmete. Sie war eingeschlafen.
Zärtlich küsste er sie aufs Haar und ließ ihren Duft auf sich wirken.
„Ich liebe dich“, sagte er. „ Agape mou .“
12. KAPITEL
Als Saskia aufwachte, fühlte sie sich viel besser. Sie musste stundenlang geschlafen haben und hatte schöne
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