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Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)

Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)

Titel: Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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Möbeln, dem großen Herd und den Kräutern auf den Fenstersimsen. Er öffnete das Bratrohr, nahm die dicken Topflappen, die sein Vater ihm reichte, und zog die Kasserolle mit dem Kapaun heraus. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen, er meinte schon jetzt, den köstlichen Geschmack der Füllung auf der Zunge zu spüren: Walnüsse vermengt mit getrockneten Pflaumen und Feigen, grünen Oliven und Gewürznelken.
    «Nimm ihn raus und leg ihn auf die Platte hier! Ich mach noch die Sauce fertig.» Der alte Guerrini füllte ein Glas mit Vinsanto und goss es in den Bratensatz, fügte ein paar Esslöffel saure Sahne hinzu und einen winzigen Schuss roten Weinessig. Er rührte alles um, probierte und sah seinen Sohn triumphierend an: «Perfetto! Versuch auch mal.»
    «Perfetto!», befand auch Guerrini, und kurz darauf saßen sie am Tisch, zündeten zwei Kerzen an und machten sich über den Kapaun her.
    «Weißt du», sagte Fernando, ehe er sich den Teller zum zweiten Mal füllte, «solange ich gerne koche und esse, so lange lebe ich auch gern. Kürzlich habe ich für meinen Freund Mauro gekocht, aber der hat kaum Appetit, darf nicht zu fett und nicht zu scharf essen. Verträgt fast gar nichts mehr, der arme Kerl. Hat irgendwas mit der Leber und sieht ganz gelb aus. Das wäre nichts für mich, dann würd ich mich lieber verabschieden!»
    Er schob sich eine Gabel voll köstlicher Füllung in den Mund und sah seinen Sohn angriffslustig an. «Warum sagst du denn nichts, eh?»
    «Ich genieße dein Essen.»
    «Ich verlange nicht, dass du vor Ehrfurcht schweigst.»
    «Ich schweige, weil es mir schmeckt.»
    «Bene, dann rede ich eben. Glaubst du zum Beispiel, dass die Menschen mit wachsendem Fortschritt langsam verblöden? Ich bin davon überzeugt. Ein Beispiel ist das Essen, wo wir gerade dabei sind. Die meisten Menschen können nicht mehr kochen. Sogar in diesem Land, das berühmt ist für seine Küche. Aber die Mehrheit frisst Pizza oder Fertiggerichte. È una vergogna!»
    «Ja», sagte Guerrini, doch Fernando hatte seine Rede nur unterbrochen, um einen Schluck Wein zu trinken, und schien keine Zustimmung zu erwarten.
    «Ein anderes Beispiel für die Verblödung sind diese Navigationsgeräte. Bald kann keiner mehr eine Straßenkarte lesen oder sich selbständig orientieren. Ohne dieses verdammte Ding wissen sie nicht mehr, ob sie rechts oder links fahren sollen.»
    «Vielleicht», sagte Guerrini.
    «Ganz sicher! Das Ende der Kultur. Und sieh dir diese entsetzlichen Plastikrollen an, mit denen die Bauern jetzt ihr Heu einmachen. Das verschandelt die Landschaft: Plastikeier unter Olivenbäumen, wunderbar sieht das aus! Erinnerst du dich noch an die großen Heuhaufen, die von den Bauern früher um einen hohen Mast herumgeschichtet wurden? Wahre Kunstwerke waren das und beinah haushoch. Wenn sie im Lauf der Zeit abgestochen wurden, sahen sie irgendwann aus wie ein abgegessener Apfel. Ah, mir tut das Herz weh, wenn ich daran denke. Erinnerst du dich, Angelo?»
    «Ja, ich erinnere mich, und ich finde es auch traurig. Ich erinnere mich sogar daran, wie die ganze Bauernfamilie gemeinsam diese Haufen gebaut hat: Einer stand ganz oben und hat immer höher geschichtet, die andern haben vom Wagen aus das Heu mit riesigen Gabeln hochgereicht. Sie haben Wein mit Wasser aus Tonkrügen getrunken und sich die ganze Zeit unterhalten und gelacht. Heute fährt einer auf dem Traktor herum und spuckt hinten die Heurollen aus. Er trägt Ohrenschützer und trinkt Coca-Cola. Zu lachen hat er wenig. Ist es so?»
    «Genauso ist es! Hätte nicht gedacht, dass du das gemerkt hast … in deinem Alter.» Erstaunt musterte Fernando seinen Sohn.
    «Du wirst es nicht glauben, aber ich merke eine ganze Menge.»
    «Na ja, sonst wärst du ein schlechter Commissario, vero!»
    «Es gibt durchaus Polizisten, die ziemlich wenig merken.»
    «Das ist manchmal ganz praktisch … ich meine natürlich bei kleinen Dingen, wenn man nicht ganz genau die Steuern gezahlt hat, die man zahlen sollte, sondern ein winziges bisschen weniger, weil man einfach was vergessen hat.» Fernando lachte leise.
    Guerrini beschloss, zum Angriff überzugehen, auch wenn das Essen diesmal besonders köstlich war.
    «Hast du eigentlich die Beamten von der Guardia di Finanza bestochen, als sie dich zweimal gefilzt haben?»
    Der alte Guerrini stand auf, füllte Kaffee und Wasser in seine Caffètiera, entzündete umständlich die Gasflamme seines Herdes und wandte sich erst wieder zu seinem Sohn um, als

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