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Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Ziergiebel
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zwei vernünftige und erwachsene Menschen über meine Abwesenheit unterhalten? Du urteilst, ehe du mich angehört hast.«
    Ohne mich anzusehen, sagte sie: »Worüber sollten wir uns noch unterhalten? Ein halbes Jahr habe ich geglaubt… Kein Anruf, nicht einmal eine, Zeile – und du redest von Vernunft und Erwachsensein. Egoistisch bist du. Aber du irrst dich, wenn du glaubst, ich würde dein Bohemeleben einfach hinnehmen…« Nun weinte sie auch noch. Als ich mich ihr zerknirscht näherte, schrie sie mich an, ich möge sie in Ruhe lassen und zu dem Weibsbild zurückgehen. So schlimm hatte ich mir die Auseinandersetzung nicht vorgestellt. Dabei fiel mir auf, daß sie eine neue Frisur trug, die ihr gut stand.
    Um Zeit zu gewinnen, ging ich ins Badezimmer, wusch mir die Hände und putzte mir die Zähne. Wenigstens etwas Angenehmes, stellte ich mit trüber Genugtuung fest, auch diese Zivilisation hat manches für sich. Waschmaschine, Kühlschrank, mit einem Handgriff heißes Wasser, dazu duftende Seife und Badesalze… Früher war mir das nie aufgefallen, die Gewohnheit macht alles selbstverständlich. Wenn die Sache mit Johanna ausgestanden war, wollte ich ein heißes Bad nehmen. Ich gurgelte, drehte verspielt am Wasserhahn, war in Gedanken noch immer ein wenig auf dem sechsten Mond. So ein Badezimmer fehlte dort. Ob die beiden in den zweieinhalbtausend Jahren schon einmal gebadet hatten? Auf der Erde war Auls Vater bestimmt von ähnlichem Luxus umgeben gewesen. Der Sklave, das »instrumentum vocale«, wie die Römer ihn nannten, das Werkzeug mit einer Stimme, war die Maschinerie, die dem Alten und seiner Kaste das Wohlleben ermöglicht hatte…
    Nebenan klappte eine Tür; Johannas Schritte rissen mich aus meinen Betrachtungen. Ich mußte eine Erklärung abgeben, zermarterte mir den Kopf, suchte vergeblich nach einem Ausweg. Ich ging ins Zimmer zurück und bemerkte melancholisch: »Schade, ich wollte mit dir auf das neue Jahr anstoßen, doch darauf legst du wohl keinen Wert…« Selbst diese Äußerung entsprach nicht der Wahrheit, denn das Konzentrat wirkte noch immer. Ich konnte gar nichts trinken, mir wäre übel geworden. Sie sagte auf einmal beherrscht: »Du wirst zugeben müssen, daß unser Zusammenleben nach diesem Vorfall keine Ehe mehr ist. Ich bin deshalb dafür, daß wir uns scheiden lassen.«
    »Das ist kompletter Unsinn!« entfuhr es mir, aber zugleich dachte ich: Wäre es nicht die beste Lösung? Alle Schwierigkeiten sind dann aus dem Wege geräumt. Zwar hatte mir Me acht Tage Zeit zum Nachdenken gegeben, doch irgendwann mußte ich Johanna meinen Entschluß mitteilen. Vielleicht war es richtig, die gereizte Stimmung auszunutzen. Ihr begreiflicher, wenn auch lächerlicher Verdacht konnte mir unter diesen Umständen den peinigenden Abschied ersparen. Denn mehr als ich es mir eingestehen wollte, ging mir die bevorstehende Trennung nun doch nahe. Anderseits war die Chance, die sich mir bot, so einmalig, daß es wohl unvernünftig wäre, Mes Angebot auszuschlagen.
    Obwohl mir Johannas Empörung und auch ihr überraschender Vorschlag entgegenkamen, brachte ich es nicht fertig, ihren Irrtum für meine Pläne auszunutzen. Im Gegenteil, es traf mich schmerzlich, wie eilfertig sie von einer Scheidung sprach – als habe sie nur auf einen Anlaß gewartet. Ich zwang mich, sehr ruhig zu antworten: »Hanni, du bist jetzt erregt, das begreife ich. Aber weshalb gleich das Kind mit dem Bade ausschütten? Haben wir nicht immer gut harmoniert? Laß uns in Ruhe über alles reden…«
    »Worüber?«
    Ja, worüber – das fragte ich mich schon die ganze Zeit. »Ich bin da in eine Sache verstrickt«, stotterte ich, »es ist alles kompliziert und schwer zu erklären…«
    »Ich erwarte auch keine Erklärung«, erwiderte sie kühl, »ich wünsche nur diesen unwürdigen Zustand zu beenden.«
Unwürdiger Zustand – was hatte ich verbrochen? Ich konnte verstehen, daß es schmerzlich war, sich getäuscht zu wissen oder zu glauben, doch weshalb drängte sie gleich so impulsiv auf eine Scheidung? So hatte ich Johanna nicht in Erinnerung. Eine Vermutung zeichnete sich mir ab, ein Verdacht, der dieser unerfreulichen Aussprache eine neue Wendung gab. Ich galt ja für Johanna als vermißt, war so gut wie tot. Konnte sie nicht in der Zwischenzeit einen anderen Mann kennengelernt haben? Drängte sie deswegen so überstürzt auf Scheidung? Der Verdacht ließ mich meine eigene verfahrene Situation für einen Augenblick vergessen. Erbittert

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