Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Ziergiebel
Vom Netzwerk:
zu regenerieren.«
Aul hatte so ruhig und sachlich gesprochen, daß mir nicht der geringste Zweifel an ihrer Erklärung aufkam. Ich rief mir die Begegnung mit den drei kleinen Wesen ins Gedächtnis und erinnerte mich ihrer sonderbaren eckigen Bewegungen. Sie waren mir damals wie aufgezogene Puppen vorgekommen. Wer aber programmierte diese Roboter, und wer kommandierte das Raumschiff? Etwas konnte an ihrer Erklärung nicht stimmen, wenn nur sie und ich die einzigen Lebewesen in diesem Raumschiff sein sollten. Beklommen sagte ich: »Vorhin sagtest du, dieser Kommandant Me habe dich zu mir geschickt. Also ist auch er ein Roboter?«
Sie schloß den Kuppelspalt. »Nein, Me ist kein Roboter. Er bestimmt alles, was an Bord und außerhalb geschieht.«
»Dann möchte ich gern wissen, weshalb ich ihn niemals sehen werde – ihn hast du doch wohl vorhin gemeint?«
Ihre Antwort hörte sich sonderbar an. »Du wirst ihn nicht sehen, weil er vor mehr als siebzig Billionen Quarinen tödlich verunglückte. Er verbrannte in der Nähe des Sirius-Begleiters, eines entarteten Sterns, den ihr ›Weißer Zwerg‹ nennt. Mehr kann ich dir darüber leider nicht erzählen, denn ich lebe erst seit zweieinhalbtausend Jahren in der ›Quil‹. Ich bin wie du von der Erde. Meine Heimat ist Babylon.«
    Ich wanderte auf und ab, beobachtete dabei verstohlen Aul, die sich wieder mit dem Dackel beschäftigte und es mir überließ, mich in dem Wirrwarr ihrer Andeutungen zurechtzufinden.
    Ein schrecklicher Gedanke machte mir angst. Dieses bezaubernde Geschöpf, geschaffen für alle Herrlichkeiten der Liebe, mußte wahnsinnig sein. Oder war ich es am Ende selber? Ich wies den Gedanken von mir; mein Erinnerungsvermögen und mein logisches Denken waren ungetrübt. Anderseits – Aul hatte eine seltsam mystische Art, sich auszudrücken. Gab es nicht doch eine einfache, logische Deutung für ihre Worte? Durch meinen Kopf geisterten Bücher, die mich auf der Erde in die Tiefen des Universums getragen hatten, Utopien von verträumter Naivität und technischen Wundern. War ich ein Don Quichote, ein Narr, der mit irdischer Vernunft messen wollte, was nicht meßbar war?
    Trübe Erfahrungen hatten mich Selbstbeherrschung gelehrt. Wie voreilig urteilt man oft nach Gefühlen. Ich wollte mich hüten, überstürzte Schlußfolgerungen zu ziehen. Vielleicht teilte ich den Raum wirklich mit einer schönen Verrückten. Vielleicht aber war mein Hirn nur zu träge, zu irdisch, um alles begreifen zu können. Ich zwang mich zur Konzentration, bemühte mich, alle Emotionen auszuschalten. Was war möglich? Die Monotonie und die Unendlichkeit des Universums konnten bei Aul und den anderen zu einer geistigen Ermüdung geführt haben. Es wäre denkbar. Aber wie kam dieses Mädchen an Bord eines Raumschiffes?
    Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr entwirrten sich ihre widerspruchsvollen Äußerungen, wobei ich vorerst diesen lebenden und dennoch toten Me beiseite ließ. Roboter, sagte ich mir, gibt es auf der Erde auch, wenngleich nicht mit einem so hochentwickelten elektronischen Gehirn. Zumindest war so etwas vorstellbar. Überdies wußte ich, daß das menschliche Gehirn auf ähnliche Prinzipien aufgebaut war. Schon eine einfache Forschungssonde war im Grunde ein Roboter mit einem programmierten Schema. Dieser Punkt war also unproblematisch.
    Was war mit dem Kommandanten, der nicht lebte und dennoch Anordnungen traf? Es gab nur eine Erklärung: Der Kommandant existierte nur auf einem Tonband oder einem gleichfalls mit Erfahrungen oder Befehlen gespeicherten elektronischen System. In diesem Falle wäre das Raumschiff »Quil« eine ideale Informationsquelle, die in beliebige Tiefen des Kosmos vorstoßen konnte, unablässig Informationen an den Heimatplaneten weitergebend. So konnte es sein. Es konnte sich aber auch anders verhalten. Wie es den Anschein hatte, war Aul in dieses Geheimnis auch noch nicht eingedrungen.
    Bliebe nur noch sie selbst. Was hatte sie zu der Bemerkung veranlaßt, sich »erst zweieinhalbtausend Jahre an Bord der ›Quil‹ zu befinden«? Hier versagte meine Logik, zumal Aul tatsächlich kaum von einem Mädchen aus Berlin, Prag oder Budapest zu unterscheiden war. So dachte ich, sie aber behauptete, aus Babylon zu stammen, zweieinhalbtausend Jahre in diesem Raumschiff zu leben und von einem lebenden, dennoch tödlich verunglückten Kommandanten Befehle oder Aufträge entgegenzunehmen. Wo lag der Schlüssel zu diesem Geheimnis?
    Aul hatte ihr Spiel mit

Weitere Kostenlose Bücher