Zeit der Sternschnuppen
Hase umher. Am liebsten hätte ich es ihm nachgetan. Der Einstieg schloß sich, die Treppe wurde eingezogen. Fritz und seine Gefährten hatten es eilig mit dem Aufstieg.
Ich entfernte mich, nahm im Laufen eine Handvoll Schnee, drückte ihn zu einem Schneeball zusammen. »Lauf, Waldi, bringe ihn zurück!« Er rannte dem Schneeball nach.
Als ich mich umdrehte, drang das Surren zu mir herüber. Wie eine dicke Spinne stieg der Transporter auf. Die Teleskopbeine klappten nach innen. Dunkelheit verschluckte den Diskus. Ich wartete, wollte ihn sehen, wenn er von der Sonne erfaßt wurde und als Stern aufleuchtete. Eine Minute verstrich, dann leuchtete Mes Bote am West-Himmel auf. Mit mäßiger Geschwindigkeit bewegte er sich zum Horizont.
Waldi hatte sich ausgetobt. Er kroch zitternd um meine Füße. Ich holte das Sprechgerät aus der Rocktasche, stellte die Zeiger ein. Der große Moment war gekommen.
»Sternschnuppchen«, sagte ich feierlich, »in dieser Minute sind wir angekommen. Fritzchen ist bereits wieder aufgestiegen und bereichert jetzt unsern Himmel um einen neuen Stern. Mein Mondmädchen, wußtest du, daß bei uns in Europa jetzt Winter herrscht? Überall liegt Schnee, und es ist mächtig kalt, wenigstens fünf Grad unter Null. Waldi zittert, und ich fange auch an zu frieren. Ich grüße dich, Sternschnuppchen. Bitte, sprich du jetzt, ich gehe auf Empfang. Wir wollen einen neuen Sprechtermin vereinbaren…«
Ich stellte das Gerät auf Empfang und lauschte. Minuten vergingen, Aul antwortete nicht. Abermals drehte ich die Zeiger und rief sie. »So sag doch endlich ein paar Worte, Aul«, flehte ich, »du machst dir keine Vorstellung, wie kalt es auf der Erde ist. Ich gehe wieder auf Empfang…«
Schweigen. Meine Füße waren wie Eisklumpen, meine Ohren steif gefroren. Ich wartete, trampelte in den Schnee. Keine Antwort. Hoch über den Baumkronen, im Süden, stand ruhig und helleuchtend ein Stern.
3. Teil
Die Quadratur des Kreises
»Die Erde ist ein Prüfungs- und Bildungsort, eine Stufe zu Höherem und Besserem; man muß hier die Kraft gewinnen, das Außerirdische zu fassen…«
W. v. Humboldt an eine Freundin
18
Es war Jupiter, der sich in Erdnähe befand und in seinem hellsten Glänze strahlte. Ich blickte fasziniert und bewegt, mit dem herrlichen Gefühl des Wissenden auf den Planeten, der nun wieder ein Stern unter Sternen geworden war, hatte die irre Hoffnung, die »Quil« oder den sechsten Mond zu entdecken. Dabei war es seit Galilei bekannt, daß man mit dem einfachen Fernrohr nur die vier größten Monde sehen konnte. Die barbarische Kälte riß mich aus meinen Träumen.
Auf diesen Temperaturwechsel war ich nicht vorbereitet. Meine Kleidung stammte aus den Tagen des Hochsommers. Trotzdem untersuchte ich mit klammen Fingern noch einmal den Sender. Er war in Ordnung, hätte funktionieren müssen. Fröstelnd bewegte ich erneut die Zeiger, flehte Aul zu antworten. Das einzige Echo, das mich erreichte, kam von der nahe gelegenen LPG. Dort brüllten die Färsen in den Ställen, hatten Hunger oder froren genauso jämmerlich wie ich und Waldi, der bei mir Wärme suchte. Ich packte ihn am Fell und schob ihn unters Jackett.
Aul schwieg. Was war nach meinem Abflug geschehen, das ihr beunruhigendes Schweigen erklärte? Um ihretwillen hatte mir Me dieses Gerät mitgegeben. Ich stand vor einem Rätsel. Als nach endlosen Minuten noch immer keine Antwort von ihr eintraf, verstaute ich den Sender in der Rocktasche und stakte mit steifen Füßen zum Bauernhaus. Meterhohe Schneewehen zwangen mich zu Umwegen; die Wiese glich einer winterlichen Hochgebirgsalm. Es war merkwürdig, wie viele Menschen zu dieser späten Stunde noch wach waren. In den kleinen Ortschaften hinter der Wiese brannte überall noch Licht. Wahrscheinlich war Fritzchen dadurch irritiert worden.
Auf der »Quil« mußte man längst über Landung und Wiederaufstieg Kenntnis erhalten haben. Es konnte keinen vernünftigen Grund geben, mir nicht wenigstens ein Zeichen zu übermitteln. »Warte nur, Sternschnuppe, wenn ich erst wieder aufgetaut bin«, murrte ich, »dir werde ich die Leviten lesen. Um einer Weiberlaune willen holt man sich beinahe eine Lungenentzündung.« Vor mir tauchte das Bauernhaus auf. Ich mußte mich durch den Schnee graben, um zur Tür zu gelangen.
Der Schlüssel lag an seinem alten Versteck, das nur meiner Frau und mir bekannt war. Die Kälte hatte das Schloß eingefroren, es dauerte einige Zeit, bis es sich öffnen ließ. Ich machte
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