Zeit der Teufel
sich auf das breite Bett fallen.
»Ich sehe es dir an«, sagte sie. »Vorerst keine Zeit für einen Einkaufsbummel, wie?«
Zamorra nickte.
»Wir müssen so schnell wie möglich etwas gegen diese Veränderungen tun. Je länger wir zögern, desto mehr verfestigt sich die falsche Realität.«
»Wir werden also in die Vergangenheit reisen und deinen Tod verhindern«, sagte Nicole.
»Und das lieber gestern als morgen«, bekräftigte Zamorra. »Bevor sich so viel verfestigt, dass es trotzdem zum Chaos kommt. Vor allem müssen wir aber schnellstens herausfinden, was hinter diesem Phänomen steckt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir drei Jahrzehnte lang in einer falschen Wirklichkeit gelebt haben. Ich gehe also davon aus, dass die Wirklichkeit, in der ich tot bin, falsch ist. Dass sie erst vor kurzem künstlich geschaffen wurde.«
»Wahrscheinlich ist einer deiner Gegner in die Vergangenheit gereist, um dich frühzeitig auszulöschen«, vermutete Nicole.
Fälle dieser Art hatte es schon einige Male gegeben, in denen dämonische Wesen versucht hatten, nachträglich den Zeitablauf zu verändern. Selbst Zamorra und Merlin hatten schon zu diesem Trick gegriffen, um Schlimmeres zu verhüten. Aber jede dieser Zeitkorrekturen war ein Tanz auf dem Drahtseil.
Es galt, Paradoxa zu verhindern.
Das berühmteste war die Geschichte von dem Mann, der in die Vergangenheit reist, um seinen Großvater zu töten. Er bringt ihn um, wird aber dadurch nie geboren und kann deshalb nicht in die Vergangenheit reisen, um den Großvater umzubringen. Also überlebt der, zeugt den Vater des Zeitreisenden und dieser wiederum den Mörder, der in die Vergangenheit reist und seinen Großvater umbringt, worauf dieser den Vater nicht zeugt und auch der Mörder nie geboren wird, weshalb er auch nicht …
Ein wahrer Teufelskreis.
Etwas anderes war es, nachträglich ein Paradoxon zu verhindern. Also dem Zeitreisenden zu folgen und ihn daran zu hindern, den Großvater zu killen. Oder schon im Vorfeld zu verhindern, dass er die Zeitreise überhaupt antrat.
Zamorra hatte all diese Varianten schon erlebt. Und mittlerweile war das Raum-Zeitgefüge dermaßen erschüttert, dass eine Kleinigkeit reichte, das Universum in ein Paradox-Chaos zu stürzen. Speziell der Zauberer Merlin trug ein gerüttelt Maß an Schuld daran.
Auch die Schwarze Familie wusste längst, wie instabil die Struktur des Raum-Zeitgefüges inzwischen war. Sie konnten nicht riskieren, weitere Zeit-Manipulationen vorzunehmen, es sei denn, sie waren absolut selbstmörderisch oder absolut dumm veranlagt.
Und doch schien es geschehen zu sein.
Zamorra stand am Fenster und sah hinaus.
»Schon seltsam«, sagte er. »Als wir uns kennenlernten, war das World Trade Center fast fertiggestellt, und jetzt, wo wir wieder in New York sind, ist Ground Zero fast aufgeräumt. Damals Baustelle, heute Trümmerfeld …«
»Als würde es den Anfang und das Ende einer Epoche signalisieren«, sagte Nicole. »Verdammt, das darf nicht sein, cheri . Es darf nicht das Ende sein.«
»Was noch erschreckender ist«, sagte Zamorra, »ich habe es vor ein paar Stunden zwar gesehen, aber nicht richtig wahrgenommen. Ich begreifs erst jetzt: In der falschen Wirklichkeit, in der ich tot bin, existiert das World Trade Center noch !«
Nicole sprang auf. »Soll das etwa bedeuten, dass diese Katastrophe etwas mit dir zu tun hat? Dass der Anschlag nicht erfolgt wäre, wenn Du damals tatsächlich gestorben wärest?«
Zamorra zuckte mit den Schultern.
»Ich glaube nicht, dass ich für den Fortbestand des Universums so wichtig bin«, sagte er. »Aber es könnte sekundäre und tertiäre Auswirkungen geben. Verdammt, ich weiß es nicht, und ich will das auch nicht wissen.«
Sie nickte. Er kämpfte um sein Leben, um seine Existenz. Und es war nicht fair, die Menschen dagegen zu setzen, die bei dem heimtückischen Terror-Anschlag am 11. September des vergangenen Jahres ermordet worden waren, als fanatische Anhänger des teuflischen Verbrechers Osama bin Laden Flugzeuge entführten und in die Twin Towers sowie ins Pentagon steuerten.
Diese Verantwortung kann und will ich nicht übernehmen , dachte Zamorra bitter. Was geschehen ist, ist geschehen. Es soll so sein.
Eine Änderung würde noch weiterreichende Folgen nach sich ziehen. Kein Angriff der Amerikaner auf Afghanistan, Fortdauer des hinter der Maske der Religiosität versteckten, diktatorischen Taliban-Regimes …
Wirf einen Kieselstein ins Wasser, und die
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