Zeit, gehört zu werden (German Edition)
Gerichtssaal mich jetzt zum ersten Mal reden hörten. Ich hätte klarstellen sollen, welche Freunde ich zu uns eingeladen hatte – in der Villa hatte ich nur mit einem einzigen Mann geschlafen. Die übrigen Freunde, die ich dorthin mitgebracht hatte, waren einfach nur das – Freunde –, und ich hatte sie nicht mitten in der Nacht dorthin mitgebracht. Am wichtigsten war jedoch, dass ich über meine Freundschaft mit Meredith hätte sprechen sollen.
Ich wusste noch nicht, dass ich Zeugen widersprechen durfte, die etwas Falsches aussagten. Statt mit dem Märchen von meiner Sexbesessenheit aufzuräumen, brannte ich es den Schöffen, den Richtern und dem Publikum erst so richtig ein.
Das Einzige, was ich in meiner Aufregung gut machte, war, dass ich mein Vertrauen ins Gericht zum Ausdruck brachte. Meine Anwälte hatten mir erklärt, dass ich nicht auf Gerechtigkeit hoffen konnte, wenn ich den Anschein erweckte, ich würde dem italienischen Rechtssystem misstrauen.
Ich wusste nicht so recht, ob ich Vertrauen in die italienische Justiz hatte, aber was blieb mir anderes übrig? Ich musste daran glauben, dass es für mich gut ausgehen würde.
In der Tat schien ich einen kleinen Sieg errungen zu haben, als Mignini meine ehemalige Mitbewohnerin Filomena befragte. Sie beharrte darauf, dass Meredith und ich gut miteinander ausgekommen waren und uns nicht entzweit hatten – wir hätten nur »unterschiedliche persönliche Interessen entwickelt«. Sie machte kein großes Gewese um die Freunde, die ich mitgebracht hatte.
Andere Teile von Filomenas Aussage ärgerten mich. Auf Migninis Frage, wie wir die häuslichen Pflichten in der Villa aufgeteilt hatten, sagte sie, wir hätten sie abwechselnd übernommen. »Aber nicht alle haben sich immer daran gehalten«, fügte sie hinzu.
»Wer hat sich nicht daran gehalten?«, fragte Mignini.
»Amanda, ein paarmal«, antwortete Filomena.
Das kann nicht ihr Ernst sein, dachte ich und gab mir alle Mühe, nicht mit meiner Ungläubigkeit herauszuplatzen. Laura hatte erst ein paar Tage vor Merediths Ermordung einen Putzplan aufgestellt – ich war noch gar nicht dran gewesen –, und trotzdem versuchte der Staatsanwalt, mich als schlampig und rücksichtslos hinzustellen. Filomena war offenbar der Ansicht gewesen, dass ich es mit der Sauberkeit nicht so genau nahm, und dieses noch nie geäußerte Ressentiment verletzte mich.
Wegen unseres Altersunterschieds und der Sprachbarriere war Filomena diejenige meiner Mitbewohnerinnen, die ich am wenigsten kannte. In der kurzen Zeit, die wir zusammenwohnten, hatte sie sich mir gegenüber wie eine große Schwester verhalten, und wir waren gut miteinander ausgekommen. Ich hatte mich wirklich wohl gefühlt, wenn meine drei Mitbewohnerinnen und ich mit den Jungs von unten nach dem Mittag- oder Abendessen beisammengesessen, einen Joint herumgereicht, miteinander geschwatzt und gelacht hatten. Ein Joint dann und wann gehörte in unserer Runde einfach dazu. Doch als Filomena nun von Raffaeles Anwalt Luca Maori wegen ihres Drogenkonsums vernommen wurde, schrieb sie unsere gemeinsame Geschichte um. »Um Ihnen die Wahrheit zu sagen, ich habe ein einziges Mal gesündigt«, sagte sie und schlug die Augen nieder. »Ich habe gesündigt.«
Ich verspürte eine Aufwallung von Zorn.
»Wir sind alle Sünder«, erwiderte Maori voller Mitgefühl.
»Ich habe gesündigt«, wiederholte Filomena.
»Sie haben es also nur ein einziges Mal genommen?«, fragte Maori.
»Ja.«
Es war eine schmerzhafte Erkenntnis für mich, dass Filomena sich mehr um ihren Ruf sorgte als darum, wie ihre Lüge sich auf mich auswirken würde; immerhin stand ich ja wegen Mordes vor Gericht. Laura und Filomena hatten das Marihuana für die Villa immer mitgebracht. Doch als Filomena im Zeugenstand hilflos mit den Schultern zuckte, erweckte sie den Eindruck, im Haus habe es nur meinetwegen Marihuana gegeben.
Was mir am meisten zu schaffen machte, war jedoch nicht das, was sie sagte. Ich beobachtete sie während ihrer gesamten Zeugenaussage aufmerksam. Ob es daran lag, dass sie mich für schuldig hielt, oder ob sie sich für ihre eigenen Worte schämte – sie schaute mich kein einziges Mal an.
Auch Laura vermied während ihrer Zeugenaussage eine Woche später jeden Blickkontakt mit mir – und das war genauso schmerzhaft. Doch zu meiner Freude erweckte sie bei der Befragung zumindest nicht den Eindruck, ich hätte mich völlig anders benommen als die übrigen Bewohner des Hauses. Als Mignini
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