Zeit, gehört zu werden (German Edition)
beliebter, netter und weniger auf Drogen und Sex erpicht als ich. Aus einigen oder all diesen Gründen war Meredith ein besserer Mensch, und ich, die da nicht mithalten konnte, hasste sie deswegen. Ich hatte ihr die Kehle im Zorn und aus Rache durchgeschnitten. Es war idiotisch. In solchen Kategorien denke ich nicht.
Mignini stützte sich stark auf Merediths englische Freundinnen. Robyn Butterworth sagte aus, mein unkonventionelles Verhalten sei Meredith unangenehm gewesen. Die anderen stimmten zu – sie sagten, ich hätte Freunde mitgebracht, könne nicht mit der Klobürste umgehen und sei beim Thema Sex zu unverblümt. Aus Kleinigkeiten wurden turmhohe Mauern, die meine Verteidiger nicht erklimmen konnten. Ein Scherzgeschenk und meine mangelnde Vertrautheit mit italienischen Sanitäranlagen brachten mich zur Strecke.
»Erinnern Sie sich«, wollte Mignini von Robyn wissen, »ob Meredith gesagt hat, Amanda habe gewisse Gegenstände im Bad gelassen?«
»Ja, ich habe diese Gegenstände sogar selbst gesehen«, antwortete Robyn. »Im Bad war eine Kosmetiktasche mit Kondomen, einem Vibrator und anderen Dingen. Meredith hat uns erzählt, es sei ein bisschen seltsam, sie fühle sich unwohl, weil Amanda sie dort hingestellt hatte, wo jeder sie sehen konnte.«
»Also hat Meredith Ihnen erzählt, was sich in der Kosmetiktasche befand?«, setzte Mignini nach.
»Ja.«
»War Meredith deshalb sauer auf Amanda?«
»Eigentlich nicht, aber sie fand es ein bisschen seltsam, sie fand es vor allem seltsam.«
Während der Aussage aller Zeugen machte ich mir Notizen, um Carlo und Luciano bei der Vorbereitung ihrer Vernehmungen zu helfen. Ich kritzelte Bemerkungen hin wie »Das ist nicht wahr« oder »Ich kapiere nicht, was sie sagt, weil es nicht so war, wie es dargestellt wird«. Dann bauten meine Anwälte das in ihre Fragen ein. Sie hatten mir vor Prozessbeginn erklärt, ich dürfe spontane Aussagen machen, mich aber gebeten, die prozessualen Abläufe nicht zu unterbrechen, sondern ihnen zu vertrauen – sie würden unsere Punkte schon anbringen. Sie riefen mir ins Gedächtnis, dass mein Tag kommen werde, wenn ich in den Zeugenstand trat.
Meine Frustration verdoppelte sich, als Robyn über den Bunny-Vibrator sprach. Das musste ich klarstellen. Als Brett mir das Ding gegeben hatte, waren Fernsehserien wie Friends oder Sex and the City in den Staaten total angesagt gewesen, und darin kamen Vibratoren als Gags vor. Die Anklage legte die Betonung auf Sex – und auf mich. Der Vibrator war ein Beweis für meine Sexbesessenheit – und ein Beweis dafür, dass mein Benehmen Meredith gestört hatte.
Ich beugte mich zu Luciano. »Ich möchte etwas sagen«, flüsterte ich.
Luciano räusperte sich. »Meine Mandantin möchte eine spontane Aussage machen«, verkündete er.
»Bitte sprechen Sie«, wies mich der Richter an.
Ich stand auf. »Guten Morgen, Herr Richter«, begann ich. Auf einmal wurde mir heiß vor Wut, selbst an diesem kalten Februartag. »Ich möchte kurz auf die Kosmetiktasche eingehen, die noch immer in meinem Badezimmer sein sollte. Diesen Vibrator gibt es tatsächlich. Es war ein Scherz, das Geschenk einer Freundin vor meiner Abreise nach Italien. Es ist ein kleines rosa Häschen, ungefähr so lang …«
Ich hob Daumen und Zeigefinger, um es ihm zu zeigen.
»Ungefähr so lang?« Richter Giancarlo Massei hob zur Klarstellung ebenfalls zwei Finger.
»Ja.« Ich errötete vor Verlegenheit.
»Zehn Zentimeter«, sagte er fürs Gerichtsprotokoll.
»Ich möchte auch sagen, dass ich unschuldig bin und darauf vertraue, dass alles herauskommen und sich alles klären wird. Vielen Dank.«
Ich weiß noch, dass ich beim Sprechen dachte: O Gott, hoffentlich klingt es nicht so dumm, wie ich glaube . Dann setzte ich mich schnell wieder hin.
Ich entschuldigte mich nicht für den Vibrator. Ich wollte ihn nur relativieren – er war ein Scherzgeschenk und nicht ernst zu nehmen, und Meredith hatte sich mir gegenüber nie über ihn beklagt.
Tatsächlich war sie nur ein einziges Mal auf den Inhalt meiner durchsichtigen Kosmetiktasche aus Plastik zu sprechen gekommen, und da hatte sie mich gefragt, ob sie ein paar von meinen Kondomen haben könne. Die wiederum bekam man en masse bei der Planned-Parenthood-Familienberatungsstelle in der Nähe meines College-Campus in Seattle.
In meiner Eile, die Sache zu erklären, und meiner Unsicherheit, was ich vorbringen durfte, hielt ich mich nicht mit dem Gedanken auf, dass die meisten Leute im
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