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Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Titel: Zeit, gehört zu werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Knox
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nehmen und die in Kunststoff gehüllte Klinge ins Licht halten.
    Ihr theatralisches Gehabe ging mir auf die Nerven. Die Anklage behauptete weiterhin, Merediths DNA habe in einer winzigen Kerbe an der Messerklinge gesteckt, und das sei ein unumstößlicher Beweis dafür, dass ich Meredith damit getötet hätte. Ich wusste, dass es ein ganz normales Küchenmesser war, das zuletzt bei der Zubereitung eines Salats Verwendung gefunden hatte.
    Nachdem jeder Gelegenheit gehabt hatte, das Messer zu betrachten, schloss Comodi die Schachtel behutsam und verließ den Gerichtssaal.

    Ein DNA-Profil ist eine Abfolge von Spitzen, die wie ein EKG aussieht. Indem Forensiker die Größe der Spitzen an dreizehn oder mehr Stellen analysieren, können sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, dass ihr DNA-Profil einzig und allein auf eine bestimmte Person passt – oder auf deren identischen Zwilling. Korrekt erstellt, ist ein solches Profil präziser als ein Fingerabdruck.
    Während dem Vorverfahren hatte Stefanoni ausgesagt, sie habe genug DNA von dem Messer getestet, um ein präzises Profil zu erhalten. Doch nun, ein Jahr später, hatte Dr. Gino die unaufbereiteten Daten gesehen, darunter auch die getestete DNA-Menge. Falls es an dem Messer überhaupt irgendwelche DNA gegeben habe, so sei es zu wenig gewesen, um sie mit den empfindlichen Instrumenten des Labors genau bestimmen zu können, sagte Gino. Stefanoni hatte sich offenkundig an keine der international anerkannten Methoden zur Identifizierung von DNA gehalten. Wenn der Test kein klares Profil erbringt, muss laut Protokoll ein zweiter Test durchgeführt werden. Das ging jedoch nicht, weil das gesamte genetische Material schon beim ersten Test verbraucht worden war. Zudem war das Messer mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit im Labor kontaminiert worden, wo es Milliarden von Merediths DNA-Strängen gab.
    Die Anklage hielt Stefanonis Methoden hingegen für vollkommen akzeptabel; sie sei mit dem Beweis, dass es sich bei dem Messer um die Mordwaffe handelte, »auf Gold gestoßen«. Ein unvoreingenommener Analytiker hätte die Ergebnisse jedoch verworfen.
    Ich konnte einfach nicht verstehen, warum diese winzige, unbestätigte Probe, gefunden auf einem x-beliebigen Messer, das nicht zu Merediths Wunden passte, irgendwelches Gewicht haben sollte. Schließlich hatte man in Merediths Bad, an ihrem Körper, in ihrer Handtasche und in der Toilette jede Menge genetisches Material von Rudy Guede gefunden.
    Am aufschlussreichsten war vielleicht, dass beim Test des Messers auf Blut nicht einmal eine verdünnte Spur gefunden worden war. Das hätte die Forensiker der Anklage eigentlich davon überzeugen müssen, dass etwaige DNA-Spuren am Messer von Kontamination herrührten – nicht von einem Schnitt. Aber die Anklage gab erst zu, dass sie das Messer auf Blut hatte testen lassen, als unsere Experten es selbst herausfanden.
    Ähnlich verhielt es sich mit einer anderen Behauptung der Anklage, die sie im Verlauf der gesamten Ermittlungen, des Vorverfahrens und des jetzigen Hauptverfahrens aufrechterhalten hatte, nämlich dass meine Füße »mit Merediths Blut besudelt« gewesen seien. Meine Anwälte und ich hatten Stunden damit verbracht, herauszufinden, wie sie darauf kamen. Wir wussten, dass die Ermittler ansonsten unsichtbare Abdrücke mit Hilfe von Luminol entdeckt hatten. CSI -Fans wissen, dass die versprühte Flüssigkeit blau leuchtet, wenn sie mit Hämoglobin in Berührung kommt. Aber Blut ist nicht die einzige Substanz, die eine Luminol-Reaktion auslöst. Reinigungs- und Bleichmittel, menschliche Ausscheidungen, Urinflecken und sogar Rost haben dieselbe Wirkung – um sich Gewissheit zu verschaffen, dass ein Fleck auch wirklich Blut enthält, führen Forensiker einen separaten Bestätigungstest durch, der nur menschliches Blut entdeckt. Hatte die polizia scientifica diesen Zusatztest gemacht?
    Bei ihrer Einvernahme durch die Verteidigung während der Vorverhandlung hatte Stefanoni diese Frage ausdrücklich mit »Nein« beantwortet.
    Erst als Dr. Gino die Dokumente las, die uns die Anklage auf Anordnung von Richter Massei hatte aushändigen müssen, begann sie – und anschließend auch mein restliches Verteidigungsteam –, ein Muster zu erkennen. Es stellte sich heraus, dass Stefanonis Team den Test sehr wohl durchgeführt hatte, genau wie beim Messer. Es gab Fußabdrücke. Aber die konnten von sonst etwas stammen – und irgendwann entstanden sein, nicht unbedingt erst

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