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Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Titel: Zeit, gehört zu werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Knox
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mich sitzen, während sie ausstiegen.
    Während ich dort wartete, dachte ich an Meredith. Sie war zu Hause für sich geblieben und eher still gewesen, aber auch eine intelligente, fröhliche und großzügige junge Frau. Ich konnte noch immer nicht glauben, dass sie nicht mehr lebte. Die Ungeheuerlichkeit, die Endgültigkeit ihres Todes überwältigte mich. Wie Merediths Familie wohl mit alldem fertig wurde? Meredith hatte mir von den gesundheitlichen Problemen ihrer Mutter erzählt, und ich hoffte, dass der plötzliche, schockierende Tod ihrer Tochter keinen Schub ausgelöst hatte. Merediths Schwester tat mir leid. Was würde ich tun, wenn einem meiner Angehörigen etwas zustieße?
    Als die Polizisten mich schließlich holten, sah ich, dass der Eingang zu unserer Wohnung mit gelbem Absperrband überklebt war. Statt hineinzugehen, ließen sich die Polizisten von außen zeigen, was mir an Filomenas Fenster aufgefallen war, und fragten, ob die Fensterläden bei Raffaeles und meiner Rückkehr offen oder geschlossen gewesen seien. Sie wollten Näheres darüber erfahren, wie wir lebten. Sperrten wir normalerweise das Tor zu unserer Auffahrt ab? Was war mit dem schadhaften Schloss in der Haustür? Besaß noch jemand einen Schlüssel? Brannte nachts eine Außenleuchte? War Meredith oft allein zu Hause gewesen? Hatten wir häufig Besuch?
    Dann führten mich die Polizisten hinter das Haus, zur unteren Wohnung. Die Glasscheibe in der Eingangstür war zerbrochen, überall lagen Scherben. Ich stieß einen kleinen Schreckensschrei aus, weil ich dachte, jemand hätte auch dort eingebrochen. »Nein, nein, nein«, sagten die Polizisten. »Die haben wir selbst eingeschlagen.« Sie gaben mir Schuhüberzieher und Handschuhe. Nachdem ich hineingeschlüpft war, sang ich: »Ta-dah!«, und streckte die Arme aus wie der Star eines Musicals.
    Es war ein seltsamer Schauplatz für einen solchen Anflug von Unbeschwertheit, aber nachdem ich gerade dafür getadelt worden war, dass ich mich beklagt hatte, wollte ich freundlich sein und meine Kooperationsbereitschaft zeigen. Ich hoffte, damit die Anspannung für mich ein wenig lindern zu können, weil das alles so surreal und furchteinflößend war. Doch statt zu lächeln, sahen sie mich verächtlich an. Ich versuchte weiterhin, meine Handlungen, mein Benehmen und meine Antworten nachzuregulieren, um mit ihnen auszukommen, aber was ich auch tat, es schien mir nicht zu gelingen, die Atmosphäre zu verbessern. Ich wusste nicht recht, woran das lag.
    Schweigend folgte ich ihnen. Zuerst blieben wir bei Stefanos Zimmer stehen. Die Steppdecke auf seinem Bett war zusammengeknüllt und mit Blut besudelt. Erneut sog ich scharf die Luft ein. »Sehen Sie irgendetwas Unnormales?«, wollten sie wissen.
    Die Frage kam mir absurd vor. »Ja, da sind Blutflecken«, antwortete ich. Bei dem Anblick schlug mein Herz schneller. Meine Gedanken rasten. Ich versuchte, die Dinge, die ich gesehen hatte, zu einem Bild zusammenzufügen. Die quälende Vorstellung, dass Meredith möglicherweise hier unten angegriffen und bis in unsere Wohnung gejagt worden war, bevor sie getötet wurde, traf mich wie ein körperlicher Schlag. Ich dachte immer wieder, welch schreckliche Angst sie gehabt haben musste. Ich wollte wissen, was sie in ihren letzten Augenblicken durchgemacht hatte, doch zugleich fand ich jeden Gedanken daran unerträglich.
    Auf weitere Überraschungen hätte ich gut verzichten können, aber das war mir nicht vergönnt. Als Nächstes öffneten die Polizisten einen Schrank, und ich erblickte fünf blühende Marihuana-Pflanzen. »Haben Sie die schon mal gesehen?«, fragten sie.
    »Nein«, sagte ich. Auch wenn ich vorher gelogen hatte, dass wir in unserem Haus nicht kifften, sagte ich jetzt die Wahrheit. Fassungslos stellte ich fest, dass die Jungs eine kleine Gras-Plantage angelegt hatten. Ich konnte nicht glauben, dass ich seit meinem Einzug vor sechs Wochen jeden Tag mit ihnen geredet hatte, ohne dass sie die Pflanzen auch nur ein einziges Mal erwähnt hatten. »Ich bin eigentlich nicht so oft hier unten«, erklärte ich.
    Anschließend gingen wir zu dem Zimmer, das sich Marco und Giacomo teilten. Kein weiteres Blut, keine weiteren verbotenen Pflanzen.
    Während wir dort standen, begannen die Kriminalbeamten, mir unverblümte Fragen über Giacomo und Meredith zu stellen. Wie lange waren sie zusammen gewesen? Stand sie auf Analverkehr? Benutzte sie Vaseline?
    »Für ihre Lippen«, sagte ich.
    Kurz nach meiner Ankunft in

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