Zeit, gehört zu werden (German Edition)
der Stadt hatten Meredith und ich verschiedene Läden durchforstet, bis wir eine winzige Dose Vaseline fanden.
Giacomo und Meredith hatten zweifelsohne miteinander geschlafen, aber ich wusste natürlich nichts darüber, welche Stellungen sie ausprobiert hatten. Meredith sprach nicht über die Details ihres Liebeslebens. Das Höchste der Gefühle war, dass sie mich einmal gefragt hatte, ob sie ein paar von den Kondomen haben könne, die ich zusammen mit Bretts noch unbenutztem Geschenk – dem Bunny-Vibrator – in meiner durchsichtigen Kosmetiktasche in unserem gemeinsamen Badezimmer aufbewahrte. Ich verstand nicht, weshalb die Polizisten mich nach Analverkehr fragten. Es verwirrte mich. Wollten sie andeuten, dass Meredith vergewaltigt worden war? Was für unvorstellbar grässliche Dinge mochte man ihr sonst noch angetan haben?
Danach wurde ich zum Wagen zurückgebracht und dort allein gelassen. Ich fühlte mich, als hätte ich eine emotionale Tracht Prügel bekommen. Auf dem Rücksitz liegend, starrte ich mit leerem Blick zu Boden. Die Dolmetscherin kam ans Fenster und fragte, ob mit mir alles in Ordnung sei.
»Nein«, sagte ich. »Ich bin durcheinander und müde, und ich stelle mir ständig vor, was Meredith Schreckliches durchgemacht haben muss.«
Nach der Rückkehr in die questura musste ich meine Antworten auf sämtliche Fragen, die mir bei der Villa gestellt worden waren, noch einmal zu Protokoll geben. Es war ein ermüdender Vorgang am Ende eines schwierigen Tages.
Gegen sieben Uhr abends durfte ich schließlich Raffaele anrufen, damit er mich abholte. Während ich auf ihn wartete, rief Tante Dolly an. »Hast du die Polizei gefragt, ob du Perugia verlassen darfst? Ob du nach Deutschland kommen kannst?«, fragte sie.
»Ja, und die haben gesagt: Nein, ich muss warten, bis sie was vom magistrato gehört haben – in drei Tagen. Was immer das heißen soll.«
»Wenn sie dich wirklich befragen wollen, können sie das auch in Deutschland tun«, meinte Dolly. »Vielleicht sollten wir dir einen Anwalt besorgen, damit sie dich nicht ewig dortbehalten.«
»Ja. Mal sehen, was sie in drei Tagen sagen.«
»Okay. Warten wir bis Dienstag. Wenn sie dir dann nicht mitteilen, wann du wegdarfst, sagst du ihnen, du musst dich mit der amerikanischen Botschaft in Verbindung setzen, damit sie dir einen Anwalt stellt. Die Botschaft wird dir bestimmt helfen, Amanda.«
Als ich die questura verließ, sah ich die Jungs aus der unteren Wohnung hereinkommen. Wir begrüßten uns, und ich schwankte einen Moment lang, weil mir von der Polizei eingeschärft worden war, ja nicht darüber zu reden, was ich gesehen hatte. »Ich war heute in eurer Wohnung, und du solltest wissen, dass auf deiner Steppdecke Blutflecken waren, Stefano. Ich habe mich gefragt, ob Meredith da unten war, bevor sie gestorben ist. Es war schrecklich.«
»Ja«, sagte Stefano. »Ich hoffe, das Blut stammt von unserer Katze und nicht von Meredith.« Stefano, Giacomo und Marco wechselten nervöse Blicke.
In diesem Moment kam Raffaele mit dem Auto, und ich verabschiedete mich. Er fuhr mit mir zu einer kleinen Boutique namens Bubble in der Innenstadt, gleich neben einem Geschäft für Luxusdessous. Im Bubble lief immer laute, rhythmische Musik; der hauptsächlich auf Studierende ausgerichtete Laden hatte angesagte, billig produzierte Kleidung im Angebot – reine Saisonware. Ich probierte ein paar Sachen an, beschloss jedoch, mit dem Ersatz für meine am Tatort eingeschlossene Kleidung auf meine Mutter zu warten und mich mit dem Allernötigsten zu begnügen – einem Minislip in meiner Größe, der an einem Ständer in der Nähe der Kasse hing. Im Nachhinein betrachtet, wäre es wahrscheinlich besser gewesen, ich hätte eine dezentere Farbe als Rot gewählt. Ich dachte mir nichts weiter dabei, aber wie sich herausstellte, war das, was für mich keine Rolle spielte, für andere von großer Bedeutung. Während Raffaele an der Kasse wartete, um zu bezahlen, umarmte er mich und gab mir ein paar Küsse – unsere Lingua franca in einer furchteinflößenden, traurigen Zeit. Ein paar Wochen später stand in der Presse, ich hätte »einen heißen Stringtanga gekauft und meinem italienischen Lover schamlos erklärt: ›Jetzt nehme ich dich mit nach Hause, damit wir wilden Sex haben können‹«.
Das Hauptereignis des Abends war ein Treffen mit Laura und Filomena. Ich lebte in einem Vakuum – ich wohnte bei Raffaele, hatte den Tag bei der Polizei verbracht und sprach mit den
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