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Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Titel: Zeit, gehört zu werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Knox
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über die Hand und murmelte: »Sagen Sie jetzt nichts. Wir müssen erst miteinander sprechen.«
    Es hatte nicht genügend Zeit zwischen Carlos und Lucianos Mandatierung und dieser Vorverhandlung gegeben, um ein Treffen mit mir möglich zu machen. Aber mehr Zeit hätte vielleicht auch nichts geändert. Wie sich herausstellte, hatte Mignini Raffaeles Anwälte unerklärlicherweise daran gehindert, ihn vor seiner Vorverhandlung zu besuchen. Ob mich der Staatsanwalt genauso behandelt hätte? Ich glaube schon. Zwar bin ich mir nicht sicher, wer angeordnet hat, dass ich in eine Art Isolationshaft genommen wurde und weder fernsehen noch lesen durfte, um mich von der Außenwelt und ihren Nachrichten abzuschotten, aber ich bin überzeugt, dass Polizei und Staatsanwaltschaft mich absichtlich uninformiert hielten, damit ich zu meinem ersten Termin vollkommen unvorbereitet erscheinen würde – nicht imstande, mich zu verteidigen.
    Eines weiß ich heute: Wenn es möglich gewesen wäre, mich vorher mit meinen Anwälten zu treffen, dann hätte ich erklären können, dass ich unschuldig war, dass ich nichts über den Mord wusste, dass ich mir während meiner Vernehmung Dinge eingebildet hatte, die nicht der Wahrheit entsprachen. Aber damals wussten meine Anwälte nur eines – dass ich mich in Schwierigkeiten bringen würde, wenn ich etwas sagte. Ich begriff ihre Motivation, mir Schweigen zu verordnen. Doch letzten Endes schadete mir mein Schweigen genauso viel wie alles, was ich vorher gesagt hatte.
    Als die Richterin mich fragte, ob ich etwas zu sagen hätte, antwortete ich mit »Nein«.
    Und mit diesem einen Wort gab ich meine einzige Chance auf, für mich einzutreten, meine einzige Chance, die Wahrheit zu berichten.
    Ich wandte mich an meine Anwälte. »Bitte«, flüsterte ich eindringlich, »ich muss etwas erklären.«
    »Nein, nein, nicht jetzt«, erwiderten sie. »Sagen Sie nichts.«
    Die gesamte Verhandlung dauerte keine zehn Minuten.
    Bevor man mich in meine Zelle zurückbrachte, sagte Carlo: »Wir werden Sie so schnell wie möglich besuchen. Und wir versuchen es zu bewerkstelligen, dass auch Ihre Mutter kommen kann.«
    Zwei Wärterinnen führten mich zurück ins Frauengefängnis. Bei jeder Tür, die sich hinter mir verschloss, fühlte ich mich, als würde ich in einen immer weiter schrumpfenden Käfig eintreten. Ich steckte in der Falle. Sobald ich im kleinsten war – meiner Zelle –, begann ich zu heulen.
    Es sollte lange dauern, bis ich gut genug im Italienischen war, um Richterin Matteinis neunzehnseitigen Bericht zu lesen, der am nächsten Tag intern verbreitet und sogleich an die Presse durchgestochen wurde. Aber meine Anwälte informierten mich über das Wesentliche. Die Richterin hatte geschrieben: »Es bestand kein Zweifel daran«, so hieß es weiter, dass Patrick, Raffaele und ich »einen neuen Kitzel ausprobieren« wollten, während Patrick auf Sex mit Meredith aus gewesen sei. Als sie ihn abgewiesen habe, hätten wir drei versucht, »ihren Willen zu brechen« – mit Hilfe von Raffaeles Taschenmesser.
    Ich fasste es nicht, dass irgendwer so etwas von mir denken konnte.
    In dem Bericht hieß es weiter: »Es ist möglich, das Geschehen in der Nacht vom 1. November zu rekonstruieren. Sollecito, Raffaele und Knox, Amanda verbrachten den gesamten Nachmittag mit Haschischrauchen.«
    Richterin Matteini behauptete, ich hätte mich mit Patrick zu einer »vorab vereinbarten« Zeit getroffen, und Raffaele, »gelangweilt vom immer gleichen Ablauf des Abends« – ein Ausdruck, den er selbst einmal über sich gepostet hatte –, sei mitgekommen.
    Weiterhin schrieb sie, wir hätten nicht die 112 angerufen, den Notruf für die carabinieri, die Militärpolizei – die polizia postale sei um 12.35 Uhr eingetroffen, während unsere 112-Anrufe danach erfolgt seien, um 12.51 Uhr und um 12.54 Uhr, was nahelege, dass uns das Erscheinen der Polizei am Haus überrascht habe und unsere Anrufe ein Versuch gewesen seien, den Anschein unserer Unschuld zu inszenieren.
    In dem Bericht hieß es dann, Raffaele habe in seiner zweiten Aussage am 5. November seine Version des Geschehens geändert. Statt zu sagen, wir seien die ganze Nacht in seiner Wohnung geblieben, wie er das ursprünglich getan habe, habe er gegenüber der Polizei erklärt, wir hätten meine Wohnung um 8.30 Uhr oder 9.00 Uhr abends verlassen, um in die Stadt zu gehen, worauf ich ins Le Chic gegangen und er in seine Wohnung zurückgekehrt sei. Er sagte, ich hätte ihn zum

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