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Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Titel: Zeit, gehört zu werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Knox
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hörte die Beamten brüllen, erlebte jene Urängste noch einmal. Was war mit mir geschehen? Wie hatte ich Patrick überhaupt angeben können?
    Als ich mir seine Freilassung ansah, hob sich eine enorme emotionale Last von meinem Herzen. Ihm war Gerechtigkeit widerfahren. Die Polizei sprach ihn von jeglichem Fehlverhalten frei. Er würde nicht mehr unter meinem unvernünftigen Fehler leiden müssen. Beinahe fröhlich klatschte ich in die Hände.
    Dann war ich sofort verlegen, befangen, denn die paar Insassinnen und Wärterinnen, die es zufällig sahen, würden mein Verhalten so oder so als egoistisch missdeuten. Ich wusste nicht, ob die Wärterinnen direkt der Staatsanwaltschaft Bericht erstatteten, aber mir war bewusst, dass alle mich für eine Lügnerin hielten. Alles, was ich gesagt und getan hatte, würde man aus diesem Blickwinkel betrachten – mit meiner Freude über Patricks Entlassung würde ich die Leute von meiner Unschuld überzeugen wollen. Die Polizei wäre bestimmt der Ansicht, dass es wieder ein Beispiel für Amanda Knox’ unangemessenes Verhalten war – ein weiterer Hinweis darauf, wie manipulativ und verdorben ich war.
    Selbst wenn meine Zellengenossinnen es nicht als Schauspielerei ansahen, sollte niemand wissen, was ich tatsächlich dachte und empfand. In dieser Umgebung musste ich mich schützen. Ich fühlte mich verwundbar und hatte Angst, wollte aber nicht, dass es jemand sah.
    In Wirklichkeit war Patricks Freilassung für mich eine Rehabilitierung. Mit meinen beiden Verteidigungsschriften nach dem Verhör – meinen memoriali –, hatte ich versucht, die Polizei davon zu überzeugen, dass Patrick nicht Merediths Mörder war. Und jetzt wusste die Staatsanwaltschaft, dass ich die Wahrheit gesagt hatte, als ich die von mir unterschriebenen Aussagen aus jener Nacht zurücknahm: Patrick war unschuldig. Ich war die ganze Zeit mit Raffaele in seiner Wohnung gewesen.
    Offensichtlich würden meine Eltern und ich bis Thanksgiving nicht in Seattle sein – bis dahin waren es nur noch zwei Tage. Allerdings glaubte ich, aus dem Gefängnis zu kommen und bei meinen Eltern wohnen zu dürfen, solange die Ermittlungen liefen. Weihnachten in Seattle schien denkbar.
    Die Staatsanwaltschaft würde verstehen, dass ich unter dem Druck der Vernehmung eine Szene vor mir gesehen hatte, die nicht der Wahrheit entsprach. Ich vertraute auf meine Anwälte: Sie würden beweisen können, dass es sich bei der Sache mit Merediths und meiner DNA auf dem Messer um einen Irrtum handelte. Meine Zuversicht wurde durch Guedes Festnahme gestützt. Ich kannte ihn nicht. Wenn er Merediths Mörder war, dann würden doch sicher alle einsehen, dass Raffaele und ich nichts damit zu tun hatten.
    Bald wäre der Verdacht gegen mich ausgeräumt.
    Carlo und Luciano kamen am Mittwoch zu ihrem regelmäßigen Besuch, und ich war so glücklich wie seit der Zeit kurz vor dem Mord an Meredith nicht mehr. Wir saßen im Büro, in dem wir uns jede Woche trafen. Luciano hielt mir die Hand, während Carlo mir mitteilte: »Die Staatsanwaltschaft hat nicht die Absicht, Sie freizulassen, Amanda. Die ersetzen Patrick einfach durch Guede.«
    Die Staatsanwaltschaft hätte sich reinwaschen können. Stattdessen hielten sie an Raffaele und mir fest, als wären wir ihre Trophäen.
    Als Giuliano Mignini die richterliche Anordnung für Patricks Freilassung unterschrieb, so erfuhr ich, behauptete er, ich hätte Patrick bezichtigt, um Guede zu decken. Damit wollte er unmissverständlich zu verstehen geben, dass die Polizei zu Recht drei Personen festgenommen hatte und es meine Schuld war, wenn Unklarheiten darüber entstanden waren, um welche Personen es sich handelte. Ich wurde als psychotische Killerin dargestellt, die in der Lage war, die Polizei zu manipulieren, bis meine Lügen – und das Gesetz – mich eingeholt hatten.
    Patrick gab nur ein Interview, in dem er die Polizei für seine unbegründete Festnahme verurteilte, bevor sein Anwalt, Carlo Pacelli, ihm riet, sich an die Seite der Staatsanwaltschaft zu stellen, die ihn am frühen Morgen in Handschellen abgeführt und damit vor seiner Familie gedemütigt hatte. Danach verkündete er, er werde mir nie verzeihen, was ich getan habe, ich hätte ihn finanziell und emotional ruiniert. Er sprach in seiner Bar über mein Verhalten und behauptete, er habe mich entlassen, weil ich mit seinen Gästen geflirtet hätte. Er nannte mich eine »Löwin«, »Lügnerin« und »Rassistin«.
    In Wirklichkeit hatte er mich nicht

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