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Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Titel: Zeit zu hassen, Zeit zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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kriegst du die Stoffe her?«, fragte Paul.
    Franziska lächelte geheimnisvoll und antwortete ausweichend: »Holland ist nicht weit und ich habe meine Beziehungen.«
    »Du solltest mal die Feigels fragen«, schlug Frau Reitzak vor. »Sie werden älter und eigentlich sind es ja zwei Läden, die sie in ihrem Hause haben.«
    Tatsächlich hatten die beiden Hutmacherinnen von ihrem Vater Ephraim Feigel am Ende der Straße ein Haus geerbt, das nach vorn hinaus zwei kleine Schaufenster aufwies. In der Mitte dazwischen lag ziemlich tief in das Haus hineingebaut die Haustür. Nach links und nach rechts gab es je eine Tür in die Läden hinein. Aber die linke Tür war stets verschlossen. Die Feigels benützten lediglich das Schaufenster und stellten dort die Hutmodelle für ältere Frauen aus. Die neuen, modischen Hüte standen im rechten Schaufenster. Im Laden dahinter wurde verkauft und zum Hof hin hatten sie ihre Werkstatt.
    »Vielleicht wäre das etwas, Mutter«, sagte Franziska. »Eigentlich wollte ich ja an die Hauptstraße, aber für die Mieten dort reichen meine Gulden nicht, die ich in Holland auf die hohe Kante gelegt habe.«
    »Man muss sich auch steigern können«, sagte Paul.

13
    Bruno hatte ein Fahrrad von Frau Kursanka geliehen bekommen. »Ist noch von meinem Mann, der im Himmel ist«, sagte sie. Sie redete niemals anders von ihrem Mann. Immer, wenn sie ihn erwähnte, fügte sie hinzu: »Der im Himmel ist.«
    Als Bruno den Hubert fragte, warum Frau Kursanka stets diese Worte benützte, da lachte der und antwortete: »Ich glaube, der Eugen ist im siebenten Himmel, und wahrscheinlich hat er sich hineingesoffen.«
    »Und seine Frau und seine beiden Söhne hatten die Hölle im Haus, wenn er blau war«, sagte Hildegard. »Man soll ja über Tote nichts Schlechtes sagen, aber die Kursanka ist erst richtig aufgelebt, seit der Eugen verunglückt ist.«
    »Na, Hilde«, schloss Hubert das Thema, »lassen wir die Toten ruhn. Den Eugen auch.«
    »Der im Himmel ist«, setzte Bruno spöttisch hinzu.
    »Oder in der Hölle, wo er hingehört«, sagte Hildegard erbittert.
    »Auf jeden Fall hab ich sein Fahrrad geliehen bekommen. Ich fahre mit den Jungen aus meiner Klasse zum Schwimmen.«
    »Kannst die alte Turnhose von Siegfried mitnehmen«, bot Hildegard an.
    »Wanda und Luise fahren vielleicht auch mit zum Kanal«, antwortete Bruno.
    »Nimm dich in Acht vor der Wanda«, warnte Hubert. »Sie ist ein Rabenaas. Noch nicht vierzehn ist sie und die Männer drehen sich schon nach ihr um. Überhaupt, Jungen und Mädchen gemeinsam zum Schwimmen. Was sind das für neue Moden?«
    »Ich finde Wanda nett«, widersprach Bruno heftig.
    »Ich sag’s ja«, sagte Hubert zu seiner Frau, »die guten Sitten verwildern.«
    Hildegard kramte die schwarze Turnhose aus der Schublade hervor und sagte: »Sind doch noch Kinder. Was du immer gleich denkst.«
    Luise fuhr jedoch nicht mit zum Kanal und auch nicht die Jungen. Wanda allein wartete auf Bruno. Sie saß auf einem neuen leichten Mädchenfahrrad und Bruno musste kräftig in die Pedale steigen, um das große, schwere Kursankarad im gleichen Tempo zu halten. Die Mütze stopfte er in die Hosentasche. Rot und verschwitzt, keuchte er hinter Wanda her.
    Am Kanal suchten sie einen Platz, an dem nur wenige Badegäste lagerten. Bruno streifte sich das Hemd ab, riss den Brustbeutel vom Hals und stopfte ihn in die Hemdtasche. Er schleuderte die Holzsandalen von den Füßen und sprang ins Wasser. Prustend drehte er sich in der Mitte des Kanals um und schaute nach Wanda aus. Die stand bis zu den Waden im Wasser.
    »Na, komm herein, es ist gar nicht kalt«, schrie er.
    »Es geht nicht. Ich kann nicht schwimmen.«
    Er kraulte zurück. »Das ist ganz einfach«, redete er ihr zu. »In Liebenberg können alle Mädchen schwimmen. Du musst nur Zutrauen zum Wasser haben, dann trägt es. Sieh mal, so einfach ist das.« Er legte sich flach auf den Rücken und paddelte nur ganz schwach mit den Händen.
    »Du lügst mich an«, sagte Wanda. »Du stehst mit einem Bein auf dem Grund.«
    Er streckte die Zehen zum Wasserspiegel hinaus. »Ich bringe dir das Schwimmen bei«, bot er ihr an. Er erklärte ihr die Schwimmbewegungen. Sie machte, so gut es an Land gehen wollte, mit den Armen und mit einem Bein nach, was er ihr zeigte. Dann ergriff sie seine Hand und ließ sich etwas tiefer in den Kanal hineinführen. Schließlich legte sie sich im Wasser flach auf seine Hände.
    Er fühlte ihren Körper. Sie lag steif wie ein

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