Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Titel: Zeit zu hassen, Zeit zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
Vom Netzwerk:
Tafel: »Kriminalkommissar Kurpek auf der Spuhr eines Mörders.«
    Wenn das der Möhringer geschrieben hat, dann muss es ihm die Wanda verraten haben, dachte Bruno.
    Rektor Haller bestellte Bruno in sein Amtszimmer. »Sag mir nur nicht, dass Spur ohne h geschrieben wird«, begann der Rektor das Gespräch.
    Bruno zeigte das Foto und erzählte kurz die Geschichte dazu.
    »Verdammter Krieg!«, sagte der Rektor wie zu sich selbst. »Eine Kette von Gewalt. Dein Bruder schießt bei einer Revolte auf Freischärler. Er selbst wird von einem Freischärler wie ein Hund erschossen und irgendwo verscharrt. Du willst dem Offizier an den Kragen. Hört das denn niemals auf? Irgendwann muss doch mal einer anfangen und sagen: Schluss jetzt! Keine Rache, keine Gewalt, endlich ein Ende mit alldem.«
    Er schob Bruno das Zeitungsfoto zurück und sagte: »Ich hoffe, du wirst irgendwie damit fertig.«
    Zunächst aber blieb es dem Bruno nicht erspart, damit fertig zu werden, dass selbst die kleineren Kinder ihm aus sicherer Entfernung zuschrien: »Weiberschwimmmeister! Kripo!«
    Er traute sich an diesem Nachmittag nicht mehr aus dem Haus.
    Am darauffolgenden Tag versteckte er sich in der Pause in der Klasse. Kurz darauf kam Wanda herein, klappte die Tafel auf und schrieb: »Kurpek ist …«
    »Kurpek ist hier«, sagte er.
    Sie fuhr herum. »Wehe, wenn du was sagst!«, drohte sie ihm und öffnete leise die Klassentür. Als sie sah, dass die Luft rein war, schlüpfte sie durch das Lehrmittelzimmer wieder in die Mädchenschule zurück.
    Wenn Bruno in den folgenden Monaten von Mädchen sprach, dann nannte er sie »die Weiber«. Die Haarsträhne aber schlug er sorgfältig in ein Stück Seidenpapier ein. Sie wurde zum festen Bestandteil in seinem Brustbeutel.
    An diesem Abend kam Hildegard aufgebracht nach Hause. Bruno hatte sich zu Hubert in den Garten gesetzt. Sie marschierte schnell den Mittelgang entlang, stemmte die Fäuste in die Hüften und sagte: »Stell dir vor, Berti, die ganze Siedlung zeigt mit Fingern auf den Bruno.«
    »Nun mach mal halblang«, sagte Hubert ruhig und wippte mit dem Grashalm, den er zwischen den Lippen hielt. »Du meinst vielleicht, die Kursanka und ein paar andere Kaffeetanten.«
    »Von wegen«, beharrte sie. »Du weißt es ja offenbar auch schon, dass der Bursche sich wie wild an die Mädchen heranmacht. Mit der Wanda ist er allein zum Kanal gefahren und soll mit ihr allerhand angestellt haben. Der Gonzorra ist fuchsteufelswild. Er hat seine Wanda eingesperrt und gesagt, drei Wochen dürfe sie das Haus nicht mehr verlassen. Kaputt schlagen würde er den Bruno, wenn er noch einmal um sein Haus herumschleiche.«
    »Hat die Frau Zerwass gesagt und die hat’s aus der ersten Quelle von der Frau Schmied gehört«, spottete Hubert.
    »Du kannst dich ruhig lustig machen über mich.« Hildegard geriet immer mehr in Zorn. »Aber das sag’ ich dir: Sie werfen den Dreck auf Bruno, aber treffen wollen sie uns.«
    »Wir sind’s ja gewohnt, Frau«, versuchte Hubert sie zu beruhigen. »Die Jungen haben dem Bruno in der Klasse übel mitgespielt. Allerhand dummes Zeug über die Wanda und ihn stand an der Tafel geschrieben. Der Bruno hat von Mädchen bestimmt die Nase gestrichen voll.«
    »Woher weißt du das?«
    »Papa Haller hat’s mir auf dem Sportplatz gesagt und er hat auch gesagt, dass du ein ordentlicher Junge bist, Bruno.«
    »Halt du ihm nur die Stange, Berti. Ist ja einer aus deinem Liebenberg. Aber ich sage dir, ich lass mir den Siegfried nicht verderben von so einem.«
    »Schluss jetzt!«, sagte Hubert. Sie stob davon. Hubert war heftig geworden und spuckte den Grashalm auf den Boden. »Mach dir nichts draus«, tröstete er den Jungen. »Sie ist heute so und morgen so.«
    Jaja, so sind die Weiber, dachte Bruno und nickte Hubert zu.
    An diesem Abend schrieb Bruno einen langen Brief an Paul Bienmann. Zwischen den Zeilen stand immer wieder die Bitte: Paul, lass mich zu dir kommen!

14
    Der Schacht lag vier Kilometer von der Stadt auf den Rhein zu. Zwischen dem Strom und der Zeche war im Lauf von wenigen Jahren die Kolonie gebaut worden, in der die meisten Bergleute wohnten, die auf der Zeche arbeiteten. Die Straße von der Stadt zum Schacht und weiter zur Kolonie führte durch ehemals fruchtbares Bauernland. Von der Eisenhütte war ein Areal für eine Schrebergartenanlage zur Verfügung gestellt worden. Diese Gärten waren ein beliebtes Ziel für Sonntagsspaziergänger aus der Stadt.
    »Ein Blütenmeer«, sagte Frau

Weitere Kostenlose Bücher