Zeitbombe
Wahrscheinlichkeit ausschließen können, dann …«
Nun unterbrach der Kriminalrat selbst seinen Satz, um jedoch gleich den Faden wieder aufzunehmen.
»Leider haben sich innerhalb von ganz kurzer Zeit zwei Polizisten an der gleichen Stelle das Leben genommen, Herr Lenz. Das an sich ist schon schlimm genug, da sollten wir nicht noch irgendwelche Verschwörungstheorien bemühen, was meinen Sie?«
Lenz schluckte eine wie auch immer geartete Antwort hinunter und wandte sich dem Rechtsmediziner zu.
»Ich gehe davon aus, dass Sie die Obduktion an Wolfram Humpes Leichnam mit der Gründlichkeit durchführen, für die ich Sie in den letzten Jahren schätzen gelernt habe, Herr Dr. Franz.«
»Wenn das eine Anspielung gewesen sein sollte, überhöre ich sie jetzt der Einfachheit halber mal.«
»Nehmen Sie es, wie Sie wollen, nur machen Sie eine vernünftige Arbeit«, zischte Lenz und drehte sich wieder in Richtung seines Chefs.
»Dann fahren wir jetzt zu Humpes Witwe.«
»Ja, richtig, machen Sie das nur. Aber bitte erzählen Sie der armen Frau nichts von Ihren spinnerten Ideen.«
»Ich tue mein Bestes.«
*
»Ich brauche erst einen schnellen Kaffee«, ließ Hain seinen Chef wissen, nachdem sie den Feldweg verlassen hatten und auf die geteerte Kreisstraße eingebogen waren.
»Gleiche Stelle, gleiche Welle«, entgegnete der und lehnte sich zurück in das warme Lederpolster.
»Das heißt, wir nehmen den gleichen Kaffee wie vorletzte Woche?«
»Bingo.«
Keine fünf Minuten danach lenkte der Oberkommissar sein Cabriolet auf den riesigen Parkplatz des Einkaufszentrums, in dem sie schon nach dem Tod von Wasserpfeifen-Nobby und vor dem Aufsuchen seiner Witwe ihren Kaffee getrunken hatten. Er fuhr bis zur vordersten Reihe und stellte den Mazda in eine der zahlreichen Lücken. Keine fünf Meter neben ihm kam im gleichen Moment ein von den laut aufgedrehten Bässen der Stereoanlage dröhnender Kleinwagen direkt auf einem der vier Behindertenparkplätze zum Stehen. Lenz warf seinem Kollegen einen warnenden Blick zu, doch Hain machte eine kurze, beschwichtigende Handbewegung, öffnete die Fahrertür, federte aus dem Auto und ging auf den immer noch mit offenen Scheiben wummernden Opel Corsa zu. Der Fahrer und das junge Mädchen auf der Beifahrerseite hielten jeweils eine Zigarette in der einen Hand und ein Mobiltelefon in der anderen. Der Oberkommissar trat an die Fahrertür, doch wegen des Krachs aus dem Innenraum nahm keiner der beiden Notiz von ihm, sondern jeder tippte fröhlich auf die Tastatur des Telefons ein. Hain ging einen Schritt nach rechts und lehnte sich mit dem Gesäß an den hinteren linken Kotflügel des Dreitürers.
Lenz versuchte noch immer, seinen Kollegen mit gezielten Blicken von seinem Vorhaben abzuhalten, doch Hain glotzte einfach in den Himmel. Dann verebbte die Musik mit einem lauten Plopp, die Türen öffneten sich, und die beiden Insassen krabbelten ins Freie.
»Geistige Behinderung zählt hier leider nicht«, stellte Hain so leise fest, dass die beiden es kaum verstehen konnten.
»Was?«, fragte der überraschte Fahrer zurück, der den Fremden an seinem Kotflügel bis zu diesem Moment noch immer nicht wahrgenommen hatte.
»Das ist ein Behindertenparkplatz, und ich habe darauf hingewiesen, dass …«
Der Polizist deutete auf das blaue Schild über ihren Köpfen.
»… bei diesem Verkehrszeichen eine eventuelle geistige Behinderung des Fahrers leider nicht maßgeblich ist.«
Der junge Mann warf zuerst seiner Freundin einen fragenden Blick zu, dann Hain.
»Und?«, wollte er dann wissen. »Was meinst du, sollen wir jetzt machen?«
»Ich meine, dass Sie wieder in Ihr Auto steigen und sich einen der vielen anderen Parkplätze sichern sollten.«
Er wies erneut auf das Stück Blech in drei Metern Höhe.
»Einen, auf dem Sie nicht einem behinderten Menschen den ihm zustehenden Parkplatz wegnehmen.«
»Und du meinst, weil du das sagst, muss ich das machen?«
Hain nickte.
»Komm, Juri, park doch einfach um«, intervenierte das Mädchen.
Er warf ihr einen bösen Blick zu, hob den Arm und deutete auf Hain.
»Was glaubst du denn, wer du bist?«, rief er verächtlich. »Bist du ein Scheißbulle, oder was?«
Wieder bestand Hains Antwort aus einer einfachen Nickbewegung mit dem Kopf.
Der Junge fing laut an zu lachen.
»Das glaubst du doch selbst nicht, dass du ein Scheißbulle bist.«
Nun griff Hain in die Innentasche seines Sakkos, kramte mit provozierend langsamen Bewegungen seinen
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