Zeitbombe
eigentlich gar nichts«, antwortete er dann. »Aber ich habe die Sache ganz genau verfolgt, weil ich mit den beiden zusammengearbeitet hatte und sie gut kannte.«
»Und wer genau hat dir erzählt, dass es diese Drohung gab?«
»Alle beide. Wir haben ein paar Tage später ein Bier zusammen getrunken, dabei haben sie mir davon erzählt.«
»Hatten sie Angst, dass der Russe seine Drohung in die Tat umsetzen könnte?«
Der Oberkommissar gab die Hand frei.
»Klar, damals schon. Es war eben die Zeit nach der Grenzöffnung. Die Sowjetunion war zerfallen, Kassel lag plötzlich in der Mitte Deutschlands, und eine Menge zwielichtiger Gestalten aus den GUS-Staaten haben sich hier niedergelassen. Es herrschte ein raues Klima seinerzeit, und Gewaltverbrechen waren an der Tagesordnung. Mit den Jahren haben die beiden die Bedrohung wohl aus den Augen verloren; ein Fehler, wie sich jetzt gezeigt hat.«
»Du redest, als ob der Kerl schon gestanden hätte, Ludger«, mischte Lenz sich ein, der ebenfalls aufgestanden war.
»Er war es, so glaubt mir doch. Roman Arkadjew hat Wolfram Humpe umgebracht, und garantiert hat er auch Norbert Schneider auf dem Gewissen.«
»Gut«, fasste Lenz zusammen, »wir kümmern uns um den Knaben. Und dir danke ich, dass du uns über deinen Verdacht informiert hast.«
Damit schütteten die beiden ihre Mineralwasser hinunter, verabschiedeten sich von Ludger Brandt und ließen ihn mit seinem Bier allein.
14
Bettina Reichelt, die Eigentümerin der Galerie, in der Maria Zeislinger seit einem knappen halben Jahr arbeitete, hob ihr Glas und sah der Nochehefrau des Kasseler OBs tief in die Augen.
»Prost, Maria. Und meinen herzlichen Dank dafür, dass du damals ausgerechnet in meine Galerie geschlittert bist. Besser hätte ich es nicht treffen können.«
Die beiden saßen an einem kleinen Tisch bei ihrem Stammitaliener in der Nähe der Galerie.
»Vielen Dank«, erwiderte Maria fast ein wenig gerührt.
»Aber was genau gibt es denn eigentlich zu feiern? Du hast vorhin am Telefon, als du mich eingeladen hast, ja ein richtiges kleines Geheimnis daraus gemacht.«
»Das wollte ich auch so«, gab die Galeristin gut gelaunt zurück. »Aber bevor wir in die heiße Phase der Geheimnislüftung einsteigen, lass uns erst mal bestellen, ich habe nämlich einen Bärenhunger.«
»Gern, ich hatte nämlich auch noch nicht viel heute.«
Die beiden Frauen griffen zu den einfach gehaltenen Speisekarten, die der nette, leicht lispelnde Ober mit dem italienischen Akzent schon auf der Tischkante platziert hatte, und suchten aus. Nachdem sie die Bestellung aufgegeben hatten, lehnte Maria sich zurück, nippte an ihrem Aperitif und sah ihre Chefin erwartungsvoll an.
»Na, dann mal los. Du hast es ja wirklich spannend gemacht.«
Bettina Reichelt trank ebenfalls einen Schluck, fing an, fröhlich zu grinsen, und beugte sich nach vorn.
»Sitzt du gut?«
»Klar, warum?«
»Weil du gleich eine Information von mir kriegst, die dir vermutlich die Luft zum Atmen rauben wird.«
»So so«, machte Maria neugierig.
»Genau. Ich habe nämlich seit gestern Abend die Zusage, dass wir einer der Topspots der Documenta im nächsten Jahr sein werden.«
Maria fing an zu strahlen.
»Das kommt jetzt aber wirklich überraschend. Ich dachte, die wollten sich erst zum Ende des Jahres entscheiden.«
»Das dachte ich auch, weil das die Info war, die sie mir gegeben hatten. Aber, und jetzt kommt der Hammer, sie waren so begeistert von deiner Präsentation, dass sie nicht nur das, was angefragt war, buchen wollen, sondern gleich die gesamte Galerie. Die komplette Galerie, Maria!«
Maria Zeislinger zuckte unwillkürlich zusammen.
»Wie, die wollen alle drei Stockwerke haben? Auch das obere, das eigentlich nur als Abstellfläche genutzt wird?«
»Alles wollen sie, komplett alles«, erwiderte Bettina Reichelt mit einem ungläubigen Kopfschütteln. »Ich kann mir zwar beim besten Willen nicht vorstellen, was sie auf dieser riesigen Fläche alles präsentieren wollen, aber das kann uns auch egal sein. Wir sind mitten im Geschehen, Maria, stehen in jeder Zeitung und in jeder Review. Ist das nicht großartig?«
Maria nickte.
»Das ist geradezu wie aus einem Märchen. Und es fällt mir tatsächlich schwer, es zu glauben.«
»Dann fang lieber gleich damit an, ich hab nämlich heute schon den ersten Vertragsentwurf in der Post gehabt. Die Konditionen sind eindeutig märchenhaft, und das haben wir eigentlich nur dir zu verdanken. Dein Konzept
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