Zeitbombe
Mühe hatte, nicht in Rage zu geraten, verzog angewidert das Gesicht.
»Ich hab so viele Jahre mit dir als direktem Vorgesetzten zusammengearbeitet, dass ich nicht glauben kann, was du hier für eine erbärmliche Nummer abziehst, Ludger. Du weißt, dass diese Räuberpistole vom russischen Rächer gequirlte Kacke ist, und ich weiß es ganz genauso. Irgendwas hat Nobby Schneider und Wolfram Humpe verbunden, und das war nicht dieser verdammte Russe. Also, was ist es gewesen?«
Der Hauptkommissar hatte seine letzten Worte fast geschrien, doch Ludger Brandt blieb trotzdem erstaunlich cool.
»Hier herumzubrüllen, bringt dich auch nicht weiter, Paul. Ich habe dir gesagt, dass Arkadjew den beiden damals den Tod angedroht hat, und jetzt sind sie tot. Das …«, wollte er fortfahren, wurde jedoch von Lenz erneut barsch abgewürgt.
»Und zu allem Unglück ist der Russe genauso tot wie Schneider und Humpe«, zischte er, »was leider dazu führt, dass er sich nicht mehr gegen deinen Vorwurf wehren kann, Ludger. Na, wenn das mal keine gute Nachricht ist.«
»Was willst du damit sagen?«
»Damit will ich sagen, dass ich die Wahrheit am liebsten aus dir herausprügeln würde, aber …«
Er brach seinen Satz ab und stand auf.
»Bis zu diesem Augenblick habe ich immer loyal zu dir gestanden, Ludger, aber das ist nun vorbei. Wenn es hart auf hart kommen sollte, und das wird es, davon bin ich überzeugt, gibt es keine Schonung mehr für dich.«
Damit verließ er ohne ein weiteres Wort oder eine Geste das Schlafzimmer.
»Paul!«, rief Brandt hinter ihm her. »Paul!«
Unten an der Treppe wurde er von der sehr besorgt dreinblickenden Irma Brandt erwartet.
»Was ist denn mit euch los?«, wollte sie erschreckt wissen.
»Mit mir ist gar nichts los, Irma«, gab Lenz zurück. »Aber ich glaube, mit deinem Mann stimmt nicht alles. Red mit ihm, vielleicht kannst du bei ihm was erreichen, bevor der Schaden noch größer wird.«
»Aber Paul, worum geht …?«, wollte sie von ihm wissen, doch der Polizist hatte sich schon an ihr vorbeigedrängt und das Haus verlassen.
Lenz konnte sich nicht erinnern, jemals in seinem Leben so wütend gewesen zu sein, und noch auf dem Weg zum Auto hätte er am liebsten laut losgebrüllt. In seinem Kopf fielen die Gedanken und die Schimpfwörter, mit denen er Ludger Brandt belegte, so sehr durcheinander, dass er einen Augenblick lang glaubte, sie und sich nicht mehr kontrollieren zu können. Dann hatte er den Kleinwagen erreicht, stellte sich neben die Fahrertür, schloss die Augen und holte tief Luft.
Nachdem er ein paar Sekunden regungslos verharrt hatte, war es ihm wieder möglich, seine Gedanken zu strukturieren und damit seine weiteren Schritte zu planen.
*
»Ich muss Sie leider noch mal stören«, erklärte der Hauptkommissar eine halbe Stunde später der verdutzt in der Tür ihres Hauses stehenden Friederike Humpe, nachdem er mehrfach den Klingelknopf gedrückt hatte.
»Ja, bitte, Herr Lenz. Kommen Sie doch herein.«
Lenz, dessen Hemd bereits seit einiger Zeit schweißnass am Körper klebte, folgte ihr ins kühle Innere des Hauses.
»Es tut mir leid«, bemerkte sie auf dem Weg ins Wohnzimmer, »wenn ich etwas derangiert aussehe, aber …«
Sie vollendete den Satz nicht, und Lenz hatte auch nicht den Eindruck, dass es notwendig wäre.
»Das macht nichts, Frau Humpe«, erwiderte er knapp.
»Möchten Sie etwas trinken?«, fragte die in einem tiefschwarzen, weit geschnittenen Kleid steckende Frau mit einer Geste in Richtung einer Wasserkaraffe auf dem Tisch, nachdem sie sich gesetzt hatten.
»Sehr gern, ja«, antwortete der Polizist, während er ihr ins Gesicht sah. Ihre Augen waren stark gerötet und die Haare hingen leicht wirr vom Kopf herab.
»Ich sagte ja«, schien sie seinen Blick wahrzunehmen, »dass ich heute nicht sehr ansehnlich bin. Aber wer sollte mir das an diesem Tag übel nehmen? Es sind seit gestern Nachmittag so viele Dinge über mich hereingebrochen, und ich glaube, dass ich die wirkliche Tragweite von Wolframs Tod noch nicht einmal im Ansatz überblicken kann.«
»Das mag sein«, erwiderte Lenz leise und bedankte sich mit einem Kopfnicken für das Glas Wasser, das sie ihm reichte.
»Also, was kann ich für Sie tun, Herr Kommissar?«, wollte sie dann mit fester Stimme wissen.
Lenz schluckte.
»Ich muss mich zunächst für mein Verhalten von gestern bei Ihnen entschuldigen, Frau Humpe. Ich war …« Er stockte.
»Ich habe die Argumente, die Sie gegen die
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