Zeitbombe
vor die Tür trat und mühsam versuchte, sich eine Sonnenbrille auf die Nase zu schieben.
»Verdammter Krüppel«, murmelte der Polizist.
»Was sagst du?«, wollte sein Kollege Chris Neuner, ohne den Kopf zu heben, wissen, der auf dem Beifahrersitz des Vectra saß und in einer Zeitschrift blätterte.
»Nichts. Ich hab nur laut gedacht.«
Nun hob Neuner den Kopf und folgte Zimmermanns Blick.
»Da ist er ja«, bemerkte er und warf das Magazin auf die Rückbank.
»Nur keine Hektik, mein Freund«, wurde sein Elan von seinem Kollegen gebremst. »Der Schwanzlutscher braucht mindestens eine halbe Stunde, bis er sein Wellnessprogramm auf Kosten der Steuerzahler starten kann. Also, lehn dich wieder zurück und halt die Bälle flach.«
Es gab eine kurze Pause.
»Mein lieber Mann«, erwiderte Neuner dann, »die Tatsache, dass der Typ dich gestern vorgeführt hat, steckt dir tiefer in den Klamotten, als ich gedacht hatte. So angefressen hab ich dich ja noch selten erlebt.«
Zimmermann drehte den Kopf nach rechts und funkelte seinen Kollegen an.
»Er hat mich nicht vorgeführt, Chris«, zischte er. »Der Typ hat es drauf angelegt, uns eins auszuwischen. Er hat das vermutlich alles genau so geplant gehabt und sich dann einen darauf heruntergeholt, der blöde Penner.«
»Ja, klar, das hat er genau so geplant … Und warum sollte er so was machen?«
Der Polizist auf dem Fahrersitz wandte den Kopf wieder in die andere Richtung, sah über die Straße und verzog dabei das Gesicht zu einer Grimasse.
»Weil er, wie ich schon gesagt habe, ein Wichser und Arschloch ist. Deshalb.«
Bornmann hatte mittlerweile die Brille dort sitzen, wo sie hingehörte, und trottete langsam und humpelnd auf die etwa 100 Meter entfernte Haltestelle zu. Auf dem Rücken trug er seinen auffälligen, leuchtend roten Rucksack.
Die Polizisten des Überwachungsteams hatten, wie an nahezu jedem der vergangenen etwa 100 Tage, an denen sie Dienst schieben mussten, ihren Dienstwagen so geparkt, dass sie dem ehemaligen Strafgefangenen beim Aussteigen aus der Straßenbahn zusehen und seinen Weg in Richtung des Eingangs zur Therme verfolgen konnten.
»Sollten wir heute nicht lieber mit reingehen, um so einem Blödsinn wie gestern aus dem Weg zu gehen?«, wollte Neuner wissen, nachdem er den Vectra rechts neben dem Eingang abgestellt hatte.
Zimmermann legte die Stirn in Falten und machte dazu eine verächtliche, wegwerfende Handbewegung.
»Von mir aus, mach doch. Ich für meinen Teil werde mir allerdings auf gar keinen Fall den ganzen Nachmittag in der Saunalandschaft der Therme um die Ohren schlagen.«
Damit brachte der Oberkommissar die Lehne seines Sitzes in eine für ihn bequemere Position und ließ sich zurückfallen.
»Du bist die coolste Socke, die ich je kennengelernt habe«, attestierte ihm sein Kollege von der anderen Seite. »Gestern hättest du, wie sich die Kollegen erzählen, den Kerl am liebsten aufgefressen, und heute liegst du schon wieder so seelenruhig hier rum, als sei nichts gewesen. Das glaub ich einfach nicht.«
Zimmermann griff nach einer Schirmkappe, die in der Ablage zwischen den beiden lag, und setzte sie so auf seinen Kopf, dass die Augen verdeckt waren.
»Geh halt rein und plansch ein bisschen mit ihm, wenn dich das sicherer macht. Ich mach derweil ein Nickerchen und halte hier die Stellung.«
Chris Neuner sah unsicher aus dem Seitenfenster. Er hatte absolut keine Lust, für das Fehlverhalten seines Kollegen zur Verantwortung gezogen zu werden, aber er hatte genauso wenig Lust, sich an diesem heißen Tag in die hundertprozentige Luftfeuchtigkeit des Thermalbades zu stürzen.
Verdammt, dachte er, und stieg aus dem Wagen, um sich auf ein Mäuerchen zu setzen und eine Zigarette anzuzünden.
Etwas mehr als vier Stunden später saß er an exakt der gleichen Stelle und sah auf seine Armbanduhr. In der Zwischenzeit hatte er ein wenig geschlafen und war danach zum Bahnhof Wilhelmshöhe geschlendert, um beim dortigen Amerikaner eines der Sparmenüs zu erstehen, die in der Realität, nämlich nach dem Auspacken, um so vieles erbärmlicher aussahen als auf den Fotos über der Theke. Nun wurde er langsam nervös, weil der Mann, den er und sein Kollege zu überwachen hatten, erneut überfällig war.
»Immer noch nichts von ihm zu sehen?«, rief Zimmermann aus dem Wagen.
»Nein«, murmelte Neuner kaum verständlich.
»Was?«
»Nein, nichts von ihm zu sehen. Ich gehe jetzt rein und frage mal nach.«
»Ja, mach das«, kam
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