Zeitbombe
Suizidtheorie beim Tod Ihres Mannes angeführt haben, nicht in ausreichendem Maße gewürdigt.«
Friederike Humpe sah den Polizisten irritiert an.
»Soll das heißen …?«
Lenz nickte.
»Ja, das soll es leider heißen. Nach allem, was wir jetzt wissen, wurde Ihr Mann das Opfer eines Verbrechens.«
Damit beschrieb er ihr in kurzen Worten, wie Wolfram Humpe hatte sterben müssen, ohne sie jedoch mit den Details zu quälen. Die Frau kämpfte dabei offensichtlich mit den Tränen.
»Aber wer sollte Wolfram denn auf diese Weise töten? Und vor allem, warum?«
Nun war Lenz verwirrt. Am Tag zuvor hatte sie ihm klargemacht, dass sein Tod auf keinen Fall Selbstmord gewesen sein konnte, und nun zeigte sie sich davon überrascht, dass er umgebracht worden war.
»Das weiß ich nicht, aber deshalb bin ich hier. Es gibt ein paar Dinge in diesem Zusammenhang, die ich gern mit Ihnen besprechen würde.«
»Und was sollen das für Dinge sein?«, fragte sie mit tränenerstickter Stimme.
»Zunächst«, begann Lenz, nachdem er ein paar Sekunden gewartet hatte, »geht es um eine Sache, die ein paar Jahre zurückliegt. Damals wurde ein Russe von Ihrem Mann verhaftet, ein gewisser Roman Arkadjew. Haben Sie den Namen schon einmal gehört?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein. Ich habe Ihnen doch gestern schon gesagt, dass Wolfram immer eine klare Trennlinie gezogen hat zwischen Dienstlichem und …«
Sie zögerte.
»Oder warten Sie. Diesen Namen hat Wolfram tatsächlich das eine oder andere Mal erwähnt.«
»Können Sie sich daran erinnern, in welchem Zusammenhang er das getan hat? Und wann das gewesen ist?«
»Nein, an die genauen Hintergründe erinnere ich mich nicht mehr. Und das ist ja auch schon eine ganze Weile her.«
»Wie lange ungefähr?«
Sie dachte ein paar Sekunden nach.
»Einige Jahre gewiss. Aber warum fragen Sie so detailliert nach diesem Herrn? Hat er etwas mit Wolframs Tod zu tun?«
»Nach meiner Meinung nicht, aber ich wollte zunächst abklären, ob Ihr Mann den Namen des Russen in der letzten Zeit erwähnt hat.«
»Nein, wie gesagt, daran würde ich mich erinnern.«
»Gut. Das deckt sich mit meinen Überlegungen. Allerdings muss ich Ihnen nun ein paar weitere Fragen stellen.«
»Bitte, nur zu«, wurde er von Friederike Humpe ermuntert.
23
Rüdiger Bornmann schaltete das Radio auf der Anrichte aus und griff nach dem roten Rucksack, der auf dem Flur stand. Dann nahm er das kleine Schlüsselbund vom Sicherungskasten hinter der Tür, trat in den Hausflur und zog das leichte Holzblatt hinter sich ins Schloss.
Humpelnd setzte er sich in Bewegung, hatte ein paar Augenblicke später die Tür zum Fahrstuhl erreicht und fuhr mit dem Lift ins Erdgeschoss. Dort angekommen, griff er nach der billigen Sonnenbrille, die in seiner Hemdtasche steckte, faltete die Bügel umständlich auseinander und schob sie auf die Nase. Während er seinen Kampf mit der widerspenstigen Brille austrug, warf er einen verstohlenen Blick auf die andere Straßenseite, wo ihn besonders ein dunkelroter Opel Vectra zu interessieren schien, in dem er die Gesichter von zwei Männern erkannte. Es waren genau jene Visagen, die er dort erwartet hatte.
An Werktagen verließ er gegen neun, spätestens halb zehn das Haus, um sich auf den Weg zur Straßenbahnhaltestelle und Richtung Thermalbad zu machen. Sonntags jedoch, so wie am heutigen Tag, war er nie vor mittags dorthin unterwegs. Anfangs war ihm dieser Trubel am Sonntagvormittag gar nicht aufgefallen, dann jedoch war er einmal etwas später dort angekommen und hatte sich gewundert, wie angenehm der Besuch dann war. Von diesem Zeitpunkt an wartete er einfach den Zeitpunkt ab, wenn die Familien mit Kindern und die besseren Kreise der Stadt beim Mittagessen saßen und nicht mehr die Saunen und Dampfbäder im Wilhelmshöher Wellnesstempel blockierten. Obwohl, zu Sommerzeiten wie diesen war das eine eher akademische Frage, weil diese Menschen es ohnehin vorzogen, sich in den Freibädern und an den Seen der Region zu vergnügen.
Während er auf das Eintreffen der Tram wartete, warf er immer wieder einen unauffälligen Blick in Richtung des Opels, doch die Insassen machten keine Anstalten, sich aus dem Wagen zu bewegen. Sie würden, wie die Gewohnheit und ihre Erfahrungen mit ihm es ihnen nahelegten, nach Wilhelmshöhe fahren und ihn am Eingang zum Bad erwarten.
*
Bernd Zimmermann sah müde auf die andere Straßenseite, wo in diesem Augenblick Rüdiger Bornmann sichtbar wurde, der
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