Zeiten des Verlangens
muss hin – ich stelle nämlich den ersten Kandidaten vor. Und wenn ich gehe, kommst du mit. Ich will dich an meiner Seite haben. Immer.«
Sein Kuss wurde fordernder, und Regina presste sich an ihn. Und plötzlich wusste sie genau, warum die Leute so guckten.
44
Die erhabene Schönheit der Bibliothek hatte sich in dieser Nacht in etwas völlig anderes verwandelt.
Astor Hall, sanft beleuchtet durch die römisch anmutenden Kandelaber, bot ein majestätisches Ambiente mit dem weißen Marmor und den dramatischen Schattenwürfen. Bestückt mit runden, gedeckten Tischen für zweihundertfünfzig Gäste erkannte Regina die Halle kaum wieder, die sie bis vor Kurzem täglich auf dem Weg zu ihrem Schalter durchquert hatte.
Und sie versuchte, die Erinnerung daran zu verdrängen.
Sie hatte sich bei Sebastian eingehakt und redete sich ein, dass sie kein ungutes Gefühl haben sollte auf der Young-Lions-Gala. Sie war nicht mehr die Frau, die an ihrem ersten Arbeitstag mit großen Augen die Stufen emporgestiegen war. Und in gewisser Weise war sie auch nicht mehr die Frau, die Sloan vor zwei Wochen entlassen hatte. Mit jedem Tag veränderte sie sich ein Stückchen mehr, mithilfe von Sebastians Liebe – und dass es Liebe war, war ihr eine tiefe Gewissheit geworden. Sie verwandelte sich in eine Version ihrer selbst, die sie nicht im Traum für möglich gehalten hätte.
»Diese Veranstaltungen sind um einiges erträglicher, wenn man die Cocktail Hour überspringt«, zwinkerte Sebastian ihr zu. Er war eine Wucht in seinem schwarzen Smoking – der Inbegriff männlicher Schönheit. Regina lächelte ihn an. Durch die Louboutins war sie nur ein paar Zentimeter kleiner als er. Dennoch war er problemlos in der Lage, sie auf den Kopf zu küssen, was er gerade tat, als ein Fotograf vom New York Magazine sie fotografierte. Regina erschrak über das Interesse, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen.
»Daran gewöhnst du dich besser«, raunte ihr Sebastian zu, aber sie hatte keine Ahnung, was er damit meinte. Sicher gab es doch interessantere Motive für die Fotografen. Allein im vorderen Teil des Saals entdeckte sie eine ganze Schar von jungen Prominenten aus Manhattan. Die Schauspieler Ethan Hawke und Julianne Moore und Adam Levine, den Sänger von Maroon 5. In dem Smoking-Jackett, das seine Tätowierungen verdeckte, sah er aus wie ein durchschnittlicher Typ aus New York. Das Einzige, das ihn als Star auszeichnete, war die spindeldürre Blondine an seinem Arm, die Regina von einer großflächigen Werbung für Calvin-Klein-Unterwäsche am Times Square kannte. Regina war froh, dass Sebastian sie zu dem ausgefallenen Gaultier-Kleid überredet hatte. In einem weniger auffälligen Kleid wäre sie sich wie das hässliche Entlein vorgekommen. Aus Gewohnheit fuhr sie mit den Fingern an der Kette unter ihrem Spitzenausschnitt entlang.
Sie blickte sich unauffällig im Saal um und fragte sich, wann sie wohl Sloan sehen würde – eine Begegnung, auf die sie sich nicht freute. Doch statt ihrer Erzfeindin erblickte sie zu ihrem Entzücken Margaret, die mit einem der nominierten Autoren plauderte. Sie sah äußerst elegant aus in einem bodenlangen perlenbesetzten schwarzen Kleid und einer imposanten Perlenkette. Beinahe gleichzeitig erblickte sie Regina. Sie entschuldigte sich bei ihrem Gesprächspartner und kam zu ihr.
»Welch angenehme Überraschung, Sie hier zu sehen«, sagte Margaret.
»Ich dachte, Sie würden nicht kommen.« Regina legte Margaret die Hand auf die Schulter.
»Ach ja, ursprünglich hatte ich es auch nicht vor. Aber im Zuge meiner Pensionierung verleihen sie mir irgendeine Auszeichnung. Da hätte es von schlechtem Stil gezeugt, nicht zu erscheinen.« Sie wandte sich an Sebastian und schenkte ihm ein warmherziges Lächeln. »Wie geht es Ihnen, Sebastian? Sie sehen so elegant aus … und werden Ihrer Mutter mit jedem Jahr ähnlicher. Ich weiß, wie stolz sie auf Ihre Arbeit hier gewesen wäre.«
Regina drückte seine Hand, besorgt, wie er den Kommentar aufnehmen würde. Aber ein Blick in sein Gesicht verriet, dass er alles andere als traurig war, sondern vor Glück über diese Bemerkung errötete.
»Wenn Sie mich jetzt entschuldigen«, sagte Margaret. »Ich muss endlich einen Kellner finden, der mir ein Glas Weißwein gibt statt dieses idiotischen Cocktails.«
Da erklang eine vertraute Stimme: »Finch!« Regina drehte sich um und sah, wie Alex auf sie zukam, zusammen mit seiner Begleitung, einer zierlichen jungen Frau
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