Zeiten des Verlangens
mit rasierten Haaren und Tattoos von den Schultern bis zu den Händen.
Es war die Frau vom Kurier.
»Du rufst nicht an, du schreibst nicht … ich kann nicht fassen, dass du einfach so verschwunden bist«, zog er sie mit einem Grinsen auf.
»Ja, es kam alles etwas plötzlich. Alex, das ist Sebastian, Sebastian, das sind Alex und …«
»Marnie«, sagte die junge Frau und streckte ihnen die Hand entgegen.
Regina zupfte Sebastian am Ärmel. »Sie ist vom Kurierdienst und hat all deine kleinen Botschaften zugestellt«, erklärte sie ihm und bemerkte, wie sich Marnies Augen weiteten.
» Sie sind dieser Typ?«, staunte sie. »Mann, danke für das Trinkgeld. Sie haben mir das hier finanziert.« Sie streckte den Arm aus, um ihnen ein frisches Tattoo zu zeigen, einen Text in gewundener Schrift auf der Innenseite ihres Unterarms: The mind is its own place, and in itself can make a heaven of hell, a hell of heaven »Das ist ein Zitat aus Paradise Lost von Milton«, erklärte sie stolz.
»Weißt du, ich glaube, ich habe dich völlig falsch eingeschätzt«, sagte Alex zu Regina. »Du musst es wirklich faustdick hinter den Ohren haben, um schon nach drei Monaten wieder zu fliegen.«
Regina wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte, obwohl Marnie eifrig nickend ihre Zustimmung bekundete.
»Wir sollten uns ein wenig unters Volk mengen«, erklärte Sebastian und drückte ihre Hand. Sie sah auf, und er zwinkerte ihr zu.
Ein kleiner, distinguiert wirkender Herr mit Silberhaar kam quer durch den Saal auf sie zu, um mit Sebastian zu reden. Regina sah ihn zuerst, und als Sebastian ihn bemerkte, hellte sich seine Miene auf.
»Schön, Sie zu sehen, Gordon«, begrüßte er ihn. »Ich möchte Ihnen meine Freundin vorstellen, Regina Finch.«
Regina lächelte, als sie so bezeichnet wurde. Der Herr schüttelte ihr die Hand. »Regina, das ist Gordon Mortimer.«
Regina kannte den vielleicht größten Verleger von Fotografie-, Kunst- und Designbildbänden. Sebastian besaß eine beeindruckende Sammlung davon in seiner Wohnung: Dalí, Helmut Newton, David LaChapelle, Roy Lichtenstein.
»Sebastian, ich habe Ihre Ausstellung in der Manning-Deere-Galerie gesehen. Fantastische Arbeit. Ich habe mit Ihrem Agenten gesprochen, aber er wollte sich nicht festlegen. Ich würde so gern ein Buch machen. Hat er es Ihnen schon gesagt?«
Sebastian nickte. »Das hat er … und ich bin geschmeichelt. Ich würde sehr gerne ein Projekt mit Ihnen machen. Ich weiß nur nicht so genau, ob die Astrid-Lindall-Bilder das geeignete Material für mein erstes Buch sind.«
»Haben Sie etwas anderes im Kopf?«
»Vielleicht.«
»Wir sollten uns nächste Woche zum Mittagessen treffen.« Gordon lächelte Regina an und schüttelte Sebastian die Hand. »Ich freue mich darauf, unser Gespräch bald fortzusetzen.«
Als er außer Hörweite war, wandte Regina sich an Sebastian.
»Das ist so aufregend«, sagte sie und drückte seine Hand. »Was meinst du?«
»Ich möchte später mit dir darüber reden.«
Sie begannen ihren Weg durch das Gemenge, und da sah – oder eigentlich fühlte – sie Sloans tödlichen Blick aus zwei Meter Entfernung. Wie ein Tier in der Wildnis musste Regina diesen Blick gewittert haben, denn sie drehte sich gerade so weit, dass sie Sloan sah. Sie stand mit einem verschüchtert wirkenden Mann zusammen, der den Am um sie gelegt hatte und allem Anschein nach ihr Verlobter Harrison war.
Versehentlich blickte Regina ihr in die Augen. Hastig wandte sie sich ab, aber es war zu spät. Sie hatte den abfälligen Blick verstanden, und er bedeutete: »Verpiss dich von meiner Party, Schlampe.«
»O Gott«, hauchte sie.
»Was ist?«, erkundigte sich Sebastian.
»Sloan.«
»Ignoriere sie einfach«, riet er. »Lass dich nicht von ihr verunsichern. Du wirst ihr nicht den ganzen Abend aus dem Weg gehen können. Sie sitzt an unserem Tisch.«
❊ ❊ ❊
Es war der Tisch gleich neben dem Podium, der ganz eindeutig der Crème-de-la-Crème des Abends vorbehalten war. Regina saß zwischen Sebastian und dem Präsidenten der Bibliothek. Ihr gegenüber saß Ethan Hawke und unterhielt die Runde mit Anekdoten von der ersten Young-Lions-Gala im Jahre 1999. Regina konnte ihn kaum sehen über den Aufbau aus Zantedeschien in der Mitte des Tisches, folgte aber gebannt seinen Erzählungen. Und neben ihm brütete Sloan finster vor sich hin und hegte ihren Zorn, der offensichtlich nur für Regina sichtbar war.
Ethans Erzählung über die in letzter Sekunde
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