Zeiten des Verlangens
abgewendeten Katastrophen der ersten Gala löste herzhaftes Gelächter aus und regte Harrison dazu an, ebenfalls von einer knapp verhinderten Katastrophe zu berichten, die sich bei Sloans erstem Englandbesuch abgespielt hatte, als er sie dem Rest seiner Familie vorstellte und sie gezwungen war, an der alljährlichen Fuchsjagd teilzunehmen. Seine Anekdote amüsierte alle außer Sloan.
»Letztlich sage ich Sloan immer, sie soll nicht so viel Aufwand betreiben, aber natürlich betreibt sie ihn jedes Mal, dabei läuft alles bestens«, schloss Harrison.
»Vielleicht läuft ja deswegen alles ›bestens‹, weil ich diesen Aufwand betreibe. Oder hart arbeite, wie ich es formulieren würde«, keifte Sloan.
Niemand sonst am Tisch schien den gereizten Ton zu bemerken, zumindest zeigte es keiner. Ethan beantwortete Fragen zu seinem neuesten Projekt, einer Fortsetzung zu Before Sunset . Es war das erste Mal, dass Regina davon hörte, und sie musste sich zurückhalten, um nicht das Wort an sich zu reißen und ihm zu erzählen, wie sehr ihr der Film gefallen hatte. Sie erkannte jetzt, dass sie damals vielleicht zu jung gewesen war, um die tiefere Bedeutung von Nostalgie, verpassten Gelegenheiten und den folgenreichsten Kompromissen des Lebens ganz zu verstehen, dennoch hatte sie ihn geliebt. Bis heute war er der Grund dafür, dass sie irgendwann einmal nach Paris wollte. Sie nahm sich vor, Sebastian davon zu erzählen. Vielleicht konnten sie eines Tages zusammen dorthin reisen.
Sebastian hielt zwar unter dem Tisch ihre Hand, unterhielt sich jedoch mit der Begleitung von Adam Levine, die er offensichtlich erst vor ein paar Monaten für das W fotografiert hatte. Noch vor Kurzem hätte das bei Regina Eifersucht und Verunsicherung ausgelöst, doch jetzt war sie zuversichtlich, dass ihr der Platz vor seiner Kameralinse – und in seinem Herzen – nicht strittig gemacht werden konnte. Und als sie Gesprächsfetzen seiner Unterhaltung mit dem Model aufschnappte, lächelte sie, als sie ihn über sich reden hörte.
Der Präsident der Bibliothek entschuldigte sich. »Zeit, die Show ins Rollen zu bringen«, sagte er und ging die wenigen Schritte zum Podium.
Das Stimmengewirr im Saal verstummte schlagartig, als der Präsident zum Mikrofon griff und alle Anwesenden zur vierzehnten Young-Lions-Gala willkommen hieß. »Bevor wir mit der Vorstellung unseres ersten Kandidaten beginnen, möchte ich mich bei den Mitgliedern des Komitees bedanken, die alle über sich hinausgewachsen sind, um die heutige Veranstaltung zu ermöglichen, sechs Monate früher, als wir sie üblicherweise eingeplant haben.«
Der Saal brach in begeisterten Applaus aus. »Und jetzt habe ich das Vergnügen, unseren Präsidenten des Komitees vorzustellen, Sebastian Barnes.«
»Ich bin gleich zurück«, flüsterte Sebastian ihr zu, dann ging er zum Präsidenten auf das Podium. Sie wechselten ein paar Worte, dann sagte Sebastian einige einleitende Sätze, und schließlich nahm einer der Literaturpreisanwärter das Mikrofon, um aus seinem Debutwerk vorzulesen.
Regina beobachtete Sebastians Charme und Gelassenheit vor dem Publikum und spürte, wie die Augen der Frauen im Saal an ihm klebten – insbesondere die einer Blondine, die an einem Tisch ihr gegenübersaß. Als er zu seinem Platz zurückkehrte, platzte ihr fast die Brust vor Liebe und Stolz.
Sebastian setzte sich nicht, sondern berührte sie sanft am Rücken.
»Lass uns kurz an die frische Luft gehen«, schlug er vor.
Das musste er nicht zweimal sagen. Nachdem sie ihm zugesehen hatte, freute sie sich darauf, ihn einen Moment lang für sich zu haben. Sie spekulierte auf einen kurzen – aber leidenschaftlichen – Kuss im Foyer.
Sebastian nahm sie bei der Hand und ging schnell. Er sagte nichts, bis sie draußen im Portikus waren.
Die Nacht war kälter, als Regina es gewohnt war, und sie fröstelte. Sebastian zog sein Jackett aus und legte es ihr um die Schultern.
»Du hast so gebieterisch ausgesehen da oben«, sagte sie.
»Du weißt doch am besten, wie ich aussehe, wenn ich ›gebiete‹.«
Sie lächelte und schüttelte den Kopf. »Du weißt, was ich meine.«
Er wandte sich ihr zu und rieb ihre Schultern.
»Wird dir langsam wieder wärmer?«
»Ja«, sagte sie und strahlte. Die Scheinwerfer der Autos beleuchteten die Fifth Avenue. Regina atmete ein und schnupperte in den Wind, der aus Osten wehte.
»Regina, du erinnerst dich doch daran, was dieser Verleger vorhin gesagt hat, oder?«
»Aber natürlich.
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