Zeiten des Verlangens
Zimmer 2020 und steckte ihre Karte in den Schlitz, ohne wirklich zu erwarten, dass sie sich öffnen würde. Doch als sie die Messingklinke drückte, gab sie widerstandslos nach.
Hinter der Tür empfing sie eine Welt aus Beige und Altrosatönen, hellem Holz und zartem Marmor. Das Dekor war konservativ, aber modern. Sie hatte etwas Opulenteres erwartet nach dieser Lobby, doch nun fühlte sie sich überraschend wohl, umgeben von dem zurückhaltend geschmackvollen Dekor. Das Fenster nach Süden bot einen atemberaubenden Ausblick auf die Stadt. »Regina?«
Eine Frau erschien wie aus dem Nichts und bescherte Regina beinahe einen Herzinfarkt.
»Sie haben mich erschreckt!«, keuchte sie, als sie ihre Stimme wiedergefunden hatte.
»Tut mir leid – das wollte ich nicht.« Die Frau sprach mit britischem Akzent. Sie trug eine weiße Jeans, eine türkisfarbene Tunika und schicken Platinschmuck. Ihr kupferrotes Haar hatte sie zu einem losen Knoten gebunden. »Ich bin Jess. Sebastian bat mich, Ihnen zur Hand zu gehen, sollten Sie Hilfe benötigen.«
»Arbeiten Sie für ihn?«
»Ich habe mit ihm gearbeitet«, erklärte Jess. »Ich bin Stylistin und Maskenbildnerin. Aber heute erweise ich ihm einfach einen Gefallen. Er dachte, Sie würden mich vielleicht brauchen.«
Regina nickte, als wäre das alles die logischste Sache der Welt.
»Ihre Abendgarderobe ist im Schlafzimmer.« Jess deutete nach rechts. »Rufen Sie einfach, wenn Sie etwas brauchen. Und ziehen Sie alles an, was Sebastian für Sie bereitgelegt hat. Darauf besteht er. Sebastian achtet sehr auf Details, wie Sie vermutlich wissen.«
Nein, das wusste sie nicht. Aber sie bekam allmählich eine Ahnung davon.
Regina ging ins Schlafzimmer. Auf dem großen Bett lagen zwei Einkaufstüten und eine Kleiderhülle. Auf der Kleiderhülle stand »Miu Miu«. Eine der Einkaufstaschen war pink mit einer schwarzen Schleife und der Aufschrift »Agent Provocateur«. Die andere war orange und von Prada. Prada hatte sie schon gehört, die anderen Marken waren ihr neu.
Also griff sie erst nach dem Vertrauten und nahm die Prada-Tasche. Sie enthielt drei Schuhkartons. Im ersten waren schwarze, vorn geschlossene Pumps, beinahe so konservativ, dass Regina sie auch selbst gekauft haben könnte. Doch die Hacken waren acht Zentimeter hoch und aus Metall und ähnelten eher Speichen oder Nägeln als Schuhabsätzen.
»Das ist kein Schuh, das ist ein Folterinstrument«, murmelte sie und schob ihn von sich. Sie öffnete die zweite Schachtel. Es war der gleiche Schuh eine halbe Nummer größer. Genauso in der dritten.
Das erste Paar, das sie herausgezogen hatte, passte wie angegossen. Irgendwie ärgerte sie das, statt sie zu überraschen.
Als Nächstes wandte sie sich der Kleiderhülle zu. Mit einer Hand fasste sie den samtbezogenen Bügel, mit der anderen zog sie den Reißverschluss auf. Sie fragte sich, was Jess eigentlich im Nebenzimmer machte und ob es sie wohl nervte, hier für Sebastian die Babysitterin zu spielen. O Mann, das war alles so peinlich.
Sie streifte die Kleiderhülle ab und zog ein einfaches schwarzes Kleid heraus. Es war ärmellos, aber hochgeschlossen und reichte bis knapp übers Knie. Es war ein Kleid in der Art, wie Audrey Hepburn es getragen hatte. Alles, was sie an eine Hepburn erinnerte – ob nun Audrey oder Katharine –, war für Regina in Ordnung. Das war eine positive Entwicklung nach den Schuhen, die eher als Waffe geeignet waren.
Als Nächstes nahm sie sich die pinkfarbene Tüte vor. Regina musste sich durch haufenweise pinkes Seidenpapier wühlen, bis sie auf mehrere flache Päckchen stieß, die in schwarzes Papier gewickelt waren. Vorsichtig packte sie das erste aus und hielt einen hauchzarten schwarzen Spitzen- BH in der Hand. Er war wunderschön, aber so ganz anders als die schwarzen Baumwollteile von Gap, die sie ihr Leben lang getragen hatte. Mit der verschlungenen Spitze und den winzigen, komplizierten Verschlusshäkchen erschien er ihr vollkommen impraktikabel. Sie legte ihn beiseite und wandte sich dem nächsten Päckchen zu. Wieder kam schwarze Spitze zum Vorschein, aber was man mit diesem Kleidungsstück anfangen sollte, war ihr ein Rätsel. Es erinnerte an einen auf den Kopf gestellten BH , von dem vier Bänder mit Häkchen baumelten. Das Ding war so abstoßend, dass sie es zurück in die Tüte stopfte.
Dann entdeckte sie lange Feinstrümpfe, so seidig und dünn wie Schmetterlingsflügel.
Es klopfte an die Schlafzimmertür.
»Alles okay bei
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